Das Panorama wurde von Herrn Prof. Bruno Piglhein entworfen und unter seiner Leitung hergestellt. Für die technische Ausführung bediente sich Prof. Piglhein der Mitwirkung des Herrn Architekturmalers Karl Frosch, der Herren Landschaftsmaler Joseph Krieger und Adalbert Heine, sowie seines Schülers Herrn Joseph Block. Vor Beginn des Werks hat Prof. Piglhein in Begleitung der Herren Frosch und Krieger behufs Vorstudien mehrere Monate in Jerusalem und Umgebung zugebracht.

 

 

Aufschluss über den Standpunkt des Beschauers.

Panoramaführer nach Maximilian Vinzenz Sattler,

kgl. Professor und Vorstand der Dreifaltigkeitskirche in München

(Vollständige und ungekürzte Wiedergabe des Verfassers Prof. M.V. Sattler, (1886))

 

            Die Plattform, auf welcher der Beschauer des Panoramas steht, ist der höchste Punkt eines Hügels, der von der gegenüberliegenden Anhöhe, auf welcher drei Kreuze aufgerichtet sind, durch einen Taleinschnitt geschieden ist und auf der den drei Kreuzen und der Stadt Jerusalem zugekehrten Seite mehrere Felsengräber in sich schließt, darunter das des Joseph von Arimathia und das des Nikodemius.

            Die Anhöhe, welche dem Beschauer gegenüber liegt, ist der Richtplatz Golgotha oder Golgatha, lateinisch mons calvariae, deutsch Kalvarienberg, so genannt, weil diese Anhöhe gegen Westen, auf der dem Beschauer zugekehrten Seite so abfiel, dass sie von Süden aus gesehen einem menschlichen Schädel annähernd gleichsah.

            Es empfiehlt sich, dass die Besucher, nachdem sie die Plattform betreten, zunächst die vor ihren Füßen ausgebreitete Landschaft besichtigen und dann den Rundgang nach rechts antreten.

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Über die Stiege auf der Plattform des Panoramas angelangt, sieht der Beschauer sich gegenüber die von Jerusalem nach Joppe (Jaffa) führende Straße, auf welcher viele Handelskarawanen mit ihren Kamelen verladenen Schätzen zu dem in den nächsten Tagen zu feiernden Osterfeste nach Jerusalem ziehen und gegen den Schluss ihrer Reise durch eine ganz unerwartet eingetretene totale Sonnenfinsternis in Bestürzung versetzt ihren Marsch beschleunigen, um in oder um Jerusalem Schutz gegen drohendes Ungemach zu finden.

            Zur linken Hand der nach Joppe führenden Straße steht im Vordergrund eines Olivenwaldes eine uralte Terebinthe (1) , die von einem großen Steinblock aufrecht erhalten wird und mit verjüngter Kraft eine neue Krone getrieben hat.

 

Der Olivenwald verdeckt eine hart hinter ihm liegende Bodenvertiefung und einen in derselben liegenden Teich, den oberen Gihonteich (2. Kön. 18, 17), der auch Walker- oder Schlangenteich genannt wurde (Flavius Josephus, Jüd. Krieg 5, 12). In der Periode der Kreuzzüge hieß man ihn den äußeren Patriarchenteich, die Araber nennen ihn Birket Mamilla. In diesen Teich wurde, als unter dem jüdischen König Achaz (742 - 727 v. Chr.) der König Phake von Israel im Bunde mit dem König Rasin von Syrien die Stadt Jerusalem bedrohte, der Prophet Ifaias beschieden und ihm vor dem König Achaz die Verheißung ausgesprochen: „Siehe die Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären, und sein Name wird Emanuel genannt werden“ (Ifaias 7, 3 - 15.).

 

Ursprünglich hatte der obere Eihonteich seinen Ablauf, später wurde er durch einen Kanal in den Hiskiateich - der Beschauer sieht diesen zu seiner linken Seite in der Nähe des aus der Stadt führenden Weg - nach der Stadt hingeleitet, wie dies im Buch Sirach (48, 19) angedeutet ist mit den Worten: „Ezechias (Hiskia) befestigte seine Stadt (Jerusalem) und leitete Wasser in dieselbe; er durchbrach mit dem Eisen den Felsen und erbaute Brunnen für das Wasser“.

           

In einiger Entfernung von der Terebinthe nach rechts stehen vier jüdische Mädchen und ein Kind (2). Das Mädchen, welches das Kind an der Hand führt, sieht höchst erregt nach der Richtstätte Golgatha. Das zweite der Mädchen senkt sein Haupt; es ist überwältigt von dem Eindruck, welchen es von Golgatha her durch die Hoheit dessen empfangen hat, der zwischen zwei Missetätern mit übermenschlicher Geduld und Würde seiner Auflösung entgegenharrt. Das dritte Mädchen, ein sprechendes Bild kindlicher Unschuld und Einfalt, sendet einen fragenden Blick nach der Richtstätte, denn noch hat es keine Ahnung, dass es wirkliche oder vermeintliche Verbrechen gibt, die eine solche Sühne als notwendig erscheinen lassen. Das vierte Mädchen weiß sich der Furcht nicht zu erwehren, welche die unheimliche Finsternis in ihm hervorruft. Die jüdische Frau, welche im Hintergrund der vier Mädchen auf dem Boden sitzt, lässt vermuten, dass sie über das Zusammentreffen der Finsternis mit der auf Golgatha vollbrachten Kreuzigung in tiefes Nachdenken versunken ist.

            Wendet sich der Beschauer von dieser Gruppe dieser Strasse nach Joppe zu, so sieht er auf der linken Seite dieser Strasse auf der Höhe - etwa 4 Km von Jerusalem entfernt - ein geräumiges Gebäude, eine Karawanserei (3), dergleichen man im Orient als Herberge für Karawanen sehr oft antrifft.

 

Vier Seiten, je 40 - 50 Schritte lang, umschließen einen durch 2 Tore zugänglichen mit Hallen ringsum besetzten Hof, in welchem die nach Jerusalem ziehenden Karawanen gewöhnlich die letzte Rast halten. Die müden Reisenden und ihre Lasttiere finden hier zwar Obdach, aber keine Bewirtung. Diesem Mangel hilft an solchen Orten, so gut es geht, der Handel ab; die benachbarten Einwohner bringen Lebensmittel und verkaufen sie um bares Geld oder sie tauschen Waren hierfür ein.

           

Streift der Blick des Beschauers von der Karawanserei die Joppestrasse entlang bis zum Horizont, so entdeckt er daselbst eine hoch emporragende Warte (4), welche nach allen Seiten einen freien Ausblick gestattet und so die Möglichkeit bietet, ringsum Spähe zu halten, ob nicht Land und Leute und die auf offenem Feld weidenden Herden von einem feindlichem Überfall bedroht werden.

            Rechts - in ziemlicher Entfernung von dieser Warte - erhebt sich eine das Plateau um ca. 162 m überragende, im ganzen 914 m hohe Bergkuppe, Mizpa (5) genannt, wird von der Stadt gleichen Namens gekrönt.

 

Hier war es, wo Samuel opferte und richtete, wo er nach einem glänzenden Sieg über die Philister den Denkstein Eben-Ezer setzen (1. Sam. 7, 5 - 15) und Saul zum König wählen ließ. Gegenwärtig steht auf dieser Bergkuppe eine Moschee, Reby Samwil genannt, das angebliche Grab Samuels.

           

Unmittelbar vor der Bergkuppe Mizpa erhebt sich ein anderer Berg, welcher ebenfalls mit Gebäuden gekrönt ist. Diese Gebäude sind ein Teil des ungefähr 11 km von Jerusalem entfernten Fleckens Emmaus (6), nach welchem am Ostersonntag zwei Jünger des Herrn wanderten und auf dem Weg dahin mit dem auferstandenen Heiland zusammentrafen.

 

Nach Lukas 24, 18 hieß einer von den Jüngern Kleophas, wahrscheinlich in Emmaus beheimatet, in dem anderen ungenannten Jünger wird Rathanael oder der Evangelist Lukas vermutet.

 

In dem großen Talkessel, welcher sich von der nach Joppe führende

Straße rechts bis zum Fuß des Beschauers ausdehnt, befindet sich eine Hirtenansiedlung (7) und ein ziemlich großer Teich (8), der sich in der von Oktober bis April dauernden Regenzeit regelmäßig bildet und den Herdenbesitzern dieser wasserarmen Gegend die Möglichkeit bietet, ihre zahlreichen Tiere viele Monate hindurch mit Wasser zu versorgen.

            Weiter nach rechts wird des Beschauers Auge eine aus dem Norden Jerusalems kommende Strasse bemerken, die sich unweit der Stadt vor einem Komplex von Landhäusern (9) in zwei Wege spaltet. Der eine Weg zieht unterhalb dieser Landhäuser nach Emmaus, der andere dagegen oberhalb derselben nach der berühmten Handelsstadt Damaskus, der alten Hauptstadt von Syrien.

            Rechts von der nach Damaskus führenden Strasse ist die Jeremiasgrotte (10), die aus einer geräumigen in den steil abfallenden Felsen gearbeiteten Halle besteht.

Die Grotte und ihre Umgebung lassen nicht verkennen, dass hier einst ein Steinbruch gewesen. - Die Legende behauptet, der Prophet Jeremias habe hier bei der im Jahr 588 v. Chr. erfolgten Zerstörung von Jerusalem seine Klagelieder aufgezeichnet, jene Klagelieder, welche noch heutzutage in den katholischen Gotteshäusern während der 3 letzten Tage der Karwoche in tief ergreifender Weise gesungen werden. Gegenwärtig befindet sich bei dieser Grotte des Jeremias ein Hauptbegräbnisplatz der Muhamedaner.

           

Zieht der Beschauer des Panoramas von der Jeremiasgrotte eine gerade Linie an den Fußpunkt seines Standplatzes, so entdeckt er in seiner unmittelbaren Nähe eine an den Hügel Golgatha sich anschließende Bodensenkung, welche dicht mit Menschen angefüllt ist und binnen kurzer Zeit noch mehr angefüllt sein wird, da fortwährend eine große Menge der Bewohner Jerusalems diesem Ort zuströmt, um dort einen freien Blick auf den nahen Hügel Golgatha zu gewinnen.

In eben dieser Bodensenkung ist das Felsengrab des Nikdemus (11) und in einiger Entfernung von diesem das dem Joseph von Arimathia gehörige Felsengrab (12), welche letzteres die Leiche des am Kreuze sterbenden Heiland später in sich aufgenommen hat.

 

Die Menschenmasse, welche sich da eingefunden, besteht vorherrschend aus Gegnern Christi, aus Menschen, die des Mitleids bar und ledig, sich spottend und höhnend gegen den am Kreuz verschmachtenden Erlöser der Welt wenden in der Erwartung, dass die unter ihnen weilenden Häupter des jüdischen Gemeinwesens, der hochbetagte Oberrichter Annas und sein Schwiegersohn, der Hohepriester Kaiphas, sowie die anwesenden ältesten und Schriftgelehrten an ihrem wüsten Treiben einen Gefallen finden.

           

Annas (13) und Kaiphas (14), hart neben einander stehend und durch ihre prunkvolle Kleidung unter der Menge des Volkes leicht erkennbar, sind durch die schon mehrere Stunden andauernde, unheimliche Sonnenfinsternis in hohem Grad bestürzt und harren mit Ungeduld dem Augenblicke entgegen, in welchem der ihnen verhasste Nazarener sein Leben am Kreuz enden wird.

 

Von denen, welche hinter ihnen stehen, richtet ein Teil seine Aufmerksamkeit auf das, was hinter dem Hügel Golgatha vollzieht, der andere Teil blickt ängstlich nach jener Himmelsgegend, in welcher die Finsternis am dichtesten ist und scharf absticht von der in der entgegengesetzten Richtung herrschenden Tageshelle, in welcher die glänzend beleuchtete Wüste von Juda uns die im Hintergrund dieser Wüste sich hinziehenden Gebirge von Eilead und Moab noch auf wenige Augenblicke erscheinen.

           

Einen auffallenden Kontrast bilden an dem Brunnen (15), in dessen Nähe Annas und Kaiphas stehen, die Mädchen und Frauen, welche Wasser geschöpft, mit den an der östlichen Mauer dieses Brunnens anwesenden gefunden und kranken Bettlern, an welchen das gelobte Land, besonders die Stadt Jerusalem, zu allen Zeiten Überfluss gehabt hat. Während jene sich anschicken, das mühsam geschöpfte Wasser an den Ort seiner Bestimmung zu tragen, und beim Weggehen gerührten Herzens noch einen Blick auf den schuldlosen Dulder auf dem Hügel werfen, lungern diese ohne jegliche Erregung umher, einzig darauf bedacht, wie sie die in der Nähe angehäufte Volksmenge ergiebig ausbeuten können.

 

Unter den Haufen, die sich in der Bodensenkung eingefunden haben, und ebenso unter der Menge, welche von Jerusalem her diesem Ort zuströmt, findet der Beschauer römische Soldaten zu Fuß und zu Pferd, denen die Aufgabe gestellt ist, das vordringen auf den Hügel Golgatha zu verhüten und jeden Aufruhr, von welcher Seite er auch kommen möge, im Keim zu ersticken.

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         Von der in der Bodensenkung angehäuften Menschengruppe mag der Beschauer des Panoramas jetzt den Blick auf den Hügel Golgatha richten und die

Kreuzigungsgruppe

einer eingehenden Betrachtung unterziehen. Nach althergebrachter Annahme wurde Christus in der Osterwoche des Jahres 34 der christlichen Zeitrechnung gekreuzigt. Da aber, wie eine jüngst entdeckte Münze von Herodes Antipas lehrt, die christliche Zeitrechnung um sechs Jahre zu spät beginnt, so ist der 7. April des Jahres 29 der christlichen Zeitrechnung, ein Freitag, als der wahre Zeitpunkt der an Christus vollzogenen Kreuzigung anzunehmen. *) Dass

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         *) Die hochwichtige Frage, in welchem Jahre der Heiland geboren und in welchem Jahre er gestorben, ist mit dem 6. Februar des Jahres 1886 in ein neues Stadium eingetreten. An diesem Tage ist nämlich von Professor Sattler in München eine bis jetzt völlig unbekannte Münze von dem Tetrarchen Herodes Antipas aufgefunden worden, welche den überraschenden Aufschluss erteilt, dass Herodes Antipas nach dem Tode seines Vaters, des Kindermörders Herodes des Großen, unter welchem Christus geboren wurde, als Tetrarch von Galiläa und Peräa nicht 43 oder 44 Jahre, wie bisher irrtümlich angenommen wurde, sondern 45 Jahre regiert hat. Diese Münze, von welcher unten eine Abbildung gegeben ist, trägt auf dem Averse ganz deutlich und leserlich L ME = Jahr 45, verbürgt also, dass Herodes Antipas 45 Jahre geherrscht hat.

            Nach dem Zeugnis der Geschichte ist Herodes Antipas im vierten Jahre der Regierung Agrippas I über die Tetrarchie von Trachonitis, im April des Jahres 41 der christlichen Zeitrechnung, durch Kaiser Caligula (37 - 41) seiner Würde als Tetrarch von Galiläa und Peräa entsetzt und nach Lugdunum Convenarum (jetzt St. Bertrand de Cominges) verbannt worden. Hat nun Herodes Antipas dem Datum der neu entdeckten Münze gemäß im Jahr 41 der christlichen Zeitrechnung 45 Jahre regiert, so muss er 5 Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung seinem Vater Herodes dem Großen gefolgt, dieser also im Jahr 5 vor Beginn der christlichen Zeitrechnung, also im Jahr 749 nach Erbauung der Stadt Rom, gestorben sein. Da nun aber Herodes der Große, wie die Geschichte bezeugt, nicht etwa zwei Jahre nach der Geburt Christi, sondern im zweiten Jahr der Geburt Christi, kurz vor Ostern, gestorben ist, also in dem Jahr, welches auf das Geburtsjahr Jesu unmittelbar gefolgt ist, so muss Jesus, wenn Herodes der Große kurz vor Ostern des Jahres 749 nach der Erbauung Roms gestorben ist, im Jahre 748 nach der Erbauung Roms, also sechs Jahre vor Beginn der christlichen Zeitrechnung geboren sein.

            Hiermit sind alle Hypothesen, welche bis zum Jahre 1886 über das Geburtsjahr Jesu aufgestellt worden sind, hinfällig geworden, da sie insgesamt auf Voraussetzungen beruhen, welche durch die neu aufgefundene Münze von Herodes Antipas als irrig erwiesen sind.

 

                        s. Abbildung 1: 2 Münzen mit Inschriften-Erkärung

                       

 

NB. Vorstehende Abbildung, welche 2,7 cm im Durchmesser hat, ist genau so groß wie die Münze selbst, welche Eigentum des Professors Sattler war.

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Christus und die beiden Missetäter nicht der Stadt Jerusalem zugekehrt, sondern nach Westen schauend am Kreuz hängen, gründet sich auf uralte Zeugnisse und erklärt sich aus der Tatsache, dass in der alten Zeit die Bewohner einer Stadt, in welcher ein Todesurteil gesprochen wurde, dem Verurteilten die Möglichkeit entzogen wissen wollten, seine von Ingrimm eingegebenen Verwünschungen geraden Weges gegen sie und ihre Stadt auszugießen.

            An dem Kreuz, das in der Mitte steht, hängt Jesus von Nazareth (16) mit 4 Nägeln an den Händen und Füßen durchbohrt, dargestellt in dem Augenblick, in welchem er ruft: „Vater! In Deine Hände empfehle ich meinen Geist!“ Über seinem Haupt ist eine aus Zedernholz gefertigte und mit Gips überzogene Tafel angebracht, in welcher dem Befehl des Landpflegers Pilatus gemäß die Worte: „Jesus aus Nazareth, König der Juden“ in drei Sprachen, oben hebräisch, in der Mitte griechisch und unten lateinisch eingegraben sind.

Es war römische Sitte, das Verbrechen des Verurteilten, wenn dieses nicht gemeiner, sondern politischer Natur war, gewöhnlich mit Nennung seines Namens und Vaterlandes auf eine mit Gips überzogene Tafel zu schreiben, diese durch einen hinter dem Führer der Eskorte reitenden Soldaten zur Richtstätte bringen und die Inschrift von Zeit zu Zeit laut ausrufen zu lassen; schließlich wurde die Tafel am Kreuz über dem Haupt des Verurteilten befestigt. Gemeine Verbrecher trugen die Schuldtafel am Halse; an der Richtstätte wurde sie ihnen abgenommen und entweder weggeworfen oder am Fuße des Kreuzes niedergelegt, an welchem sie den Tod zu erleiden hatten.

Pilatus wollte mit der Inschrift, die er für Jesus angeordnet, die Führer der Juden dafür strafen, dass sie ihm die Verurteilung Jesu abgetrotzt hatten, und deshalb wies er auch deren dringliches Verlangen, dass die Inschrift geändert werde, entrüstet mit den Worten zurück: „Quod scripsi, scripsi!“ d.h. „Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben!“

Zu Rom in der Kirche des hl. Kreuzes von Jerusalem befindet sich das hier abgebildete Stück einer Tafel,

 

s. Abbildung Tafel1

 

welche das Wort „Nazarenus“ und den Anfang des folgenden Wortes, welches „König“ bedeutet, mit griechischen und lateinischen Buchstaben, von der Rechten zur Linken geschrieben, trägt, während von der hebräischen Schrift, die darüber stand, nur noch ganz geringe Spuren, nur einige Enden alt-hebräischer Buchstaben, sichtbar sind. Man hat angenommen, dass die Juden den auch ihnen heiligen Namen „Jesus“ und den Titel „König der Juden“, an welchem sie sich so sehr stießen, abgeschnitten und den Rest der Tafel mit dem Schimpfnamen „Nazarener“ samt dem Kreuz in die Grube geworfen haben, in welcher die hl. Helena, die Mutter des Kaisers Konstantin des Großen, beides nebst den Kreuzen der zwei Schächer fast 300 Jahre später aufgefunden hat. Gründliche Kenner des jüdischen und christlichen Altertums haben sich mit aller Entschiedenheit dafür ausgesprochen, dass das Bruchstück dieser Tafel unecht sei und fälschlich als ein Bestandteil der seiner Zeit am Kreuz Christi befestigten Tafel angesehen werde. Aller Wahrscheinlichkeit nach war diese Tafel in folgender Weise beschrieben:

 

s. Abbildung Tafel 2

 

Das oben stehende Hebräische ist folgendermaßen von rechts nach links zu lesen:       ieschû ha-ñozzi mélekh hai hudim.

 

            Zur Rechten des Heiland hängt ein Missetäter, Dismas (17) mit Namen, dessen Hände und Füße in einfacher Weise am Kreuz mit Stricken festgebunden sind; zu seiner Linken hängt ebenfalls ein Verbrecher, Gesmas (18), der einer verschärften Todesstrafe dadurch unterworfen ist, dass seine beiden Arme mit Stricken vollständig an den Querbalken des Kreuzes festgebunden sind, eine Kreuzigungsart, durch welche zwar eine Verzerrung und Verrenkung der äußeren und inneren Organe des Oberleibs verhindert, dagegen aber eine entsetzliche Qual in den beiden Armen und in den beiden Schulterblättern herbeigeführt ist.

 

Beide Missetäter waren, wie man aus ihren Reden entnehmen muss, Juden und hatten - der Eine bekennt es laut - den Tod verdient. Vermutlich waren sie Reste einer versprengten, aufrührerischen Bande, die sich dem Räuberhandwerk ergeben hatten und darum bei ihrer Ergreifung der ganzen Strenge des Gesetzes verfielen. Der Evangelist Markus nennt sie ausdrücklich: „Räuber“. Der Eine von ihnen, Dismas, tat Buße und fand  Gnade; der Andere, Gesmas, verharrte in der Sünde und lästerte. Grimm oder Zerknirschung aus Reue sind die zwei einzigen Empfindungen, welche dem Verurteilten im Augenblick der Hinrichtung übrig bleiben, Grimm gegen die menschliche Gesellschaft oder Reue über seine Sünden!

Der Grimm des unbußfertigen Sünders wendete sich gegen Jesus, zu dem er höhnisch sprach: „Bist du denn nicht der Messias? Zögere also nicht, hilf dir und damit auch uns!“ Der Andere aber wies ihn zurecht, indem er sprach: „Nicht einmal du fürchtest Gott, da du in gleicher Strafe bist, und wir zwar mit Recht, denn was unsere Taten verdienen, empfangen wir, dieser aber hat nichts Unrechtes getan!“

Eine alte Legende lässt den guten Schächer schon mit dem Kinde Jesus zusammenkommen. Es braucht aber bei Würdigung der Tatsache, mit welcher Bestimmtheit Dismas die Unschuld Jesu behauptete, weder auf dieses noch darauf, dass er später etwa von Jesus gehört habe, ein Gewicht gelegt zu werden, da alles, was er am Kreuz in diesem Augenblick sah und hörte, die Unschuld Jesu verkündete.

Die Kreuzesüberschrift enthielt keine Schuld, und die Lästerungen, welche man gegen Jesus ausstieß, waren vielmehr Zeugnisse für ihn; die Art wie er litt, schwieg, sprach, betete und danach starb, erfüllte selbst die heidnischen Soldaten mit einem heiligen Schauer. So leidet und stirbt ein Schuldiger nicht!

In der Bitte des reuigen Schächers: „wenn du kommst einst in deine Königsherrschaft, gedenke meiner!“ - lag ein feierliches Glaubensbekenntnis. Der Bitte entsprach die Gewährung, die Jesus in eine populäre, allgemein verständliche Formel kleidete: „Wahrlich ich sage dir, heute wirst du mit mir sein im Paradies!“

Der Trost und die Zuversicht, welche diese Verheißung in ihm begründete, spricht sich darin aus, dass er ungeteilten Blickes zu Jesus emporschaut, durch welchen ihm diese tröstliche Versicherung geworden ist.

 

            Dem Kreuz des Heilandes zugewendet steht der römische Hauptmann Ktesiphon (19), auf welchen alles, was er an dieser Stelle gesehen und gehört, einen solchen Eindruck gemacht hat, dass er bei dem Ruf des verscheidenden Heilands „Es ist vollbracht! Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist!“ in die Worte ausbricht: „Wahrhaftig, Sohn Gottes war dieser!“

 

Der Hauptmann erkannte in Jesus etwas Übernatürliches, wofür er keinen anderen Namen hatte als „Sohn Gottes“. Ein furchtbares Verbrechen, so denkt Ktesiphon, ist hier begangen worden. Kein Schuldiger hing am Kreuz, sondern ein Heiliger, ein Weiser, ein blutiges Opfer entfesselter Volkswut, dergleichen die Geschichte nur zu viele aufzuweisen hat. Einer der Edelsten hauchte am Kreuz, am Holz der Schmach, den Geist aus!“

 

Zur Rechten des Hauptmanns ist die ihm unterstellte Mannschaft (20), soweit sie die Wache Jesu bildete. Sie teilt sich, nachdem sie das blutige Werk der Kreuzigung vollbracht und über dem Haupt Jesu die Tafel mit der Inschrift befestigt hat, in die Kleider Jesu, die ihr von Rechtswegen gehörten, und hält Wache, damit keiner der Verurteilten etwa durch seine Freunde herabgenommen oder irgend ein Unfug getrieben werde.

 

Die Kleidungsstücke Jesu bestanden aus dem Hüftkleid, dem Hemd oder Unterkleid mit langen anliegenden Ärmeln, aus dem ungenähten Rock oder Oberkleid mit kurzen, weiten Ärmeln, griechisch chiton, lateinisch tunica genannt, aus dem Mantel, dem Gürtel und den Sandalen.

Das Hüftkleid und das Unterkleid waren von Leinen, Oberkleid und Mantel von gefärbter Wolle, der breite Gürtel bunt gewebt oder gleich dem Unterkleid weiß. Jesua hatte sich, wie dies vorgeschrieben war, selbst entkleidet bis auf das Hüftkleid, das er gleich den Priestern immer trug. Der Hauptmann gestattete dies Verhüllung, da auch der Römer ganz nackte Schaustellungen mied. Da die Kleider als Beute betrachtet wurden, so geschah ihre Austeilung wie die einer Kriegsbeute durch das Los. Sie machten, so sagt der Evangelist Johannes, vier Teile: einem jedem Soldaten einen Teil und dem Rock. Die vier Stücke: Mantel, Hemd, Gürtel und Sandalen würfelten sie unter sich aus, über den Rock aber, weil er ungenäht war, warfen sie noch besonders das Los, damit - so fügt derselbe Evangelist bei - die Schrift erfüllt wurde, welche sagt. „Sie teilen meine Kleidung unter sich und um mein Gewand werfen sie das Los!“ (Psalm 21, 19.)

Nach der Überlieferung war dieser Rock von der Jungfrau Maria gewoben und kam durch die hl. Kaiserin Helena in den Besitz der Domkirche ihrer Residenzstadt Trier, wo er nachweisbar seit 1196 von Zeit zu Zeit feierlich zur Verehrung ausgestellt wird. Die letzte Ausstellung war im Jahr 1844 vom 18. August bis 6. Oktober.

 

Außer den vier Soldaten, welche die Kreuzigung vollzogen haben, sieht der Beschauer noch andere Legionssoldaten auf dem Hügel Golgatha, welche das Erscheinen Unberufener in der Nähe der Kreuze zu verhüten haben, darunter einen, der mit der Lanze in der Hand dasteht, um auf den Wink des Hauptmanns heranzueilen und die Seite Jesu zu öffnen. Die Legende nennt ihn Longinus (21) und lässt ihn gleich dem Hauptmann Ktesiphon, unter dessen Befehl er steht, gläubig werden.

Links vom Hauptmann stehen zwei Mitglieder des Hohen Rates (22 und 23), welche über dem Kreuze Christi angebrachte Inschrift genau besichtigen und den ihnen anstößigen Inhalt einigen ihrer Gesinnungsgenossen, die am Fuß des Golgatha stehen, mitteilen, damit sie denselben dem Annas und Kaiphas hinterbringen.

In der nächsten Umgebung dieser Ratsherren sieht der Beschauer vier Gruppen von Personen, die teils Verwandte, teils Anhänger und Verehrer Jesu sind und bei dem nahenden Tod Jesu vom Hauptmann die Erlaubnis erwirkt haben, näher an das Kreuz heranzutreten.

Die erste Gruppe bilden Maria (24), die von Schmerz durchbohrte Mutter des gekreuzigten Heilands, Maria Klopä (25), die Schwester der Gottesmutter Maria, und Johannes (26), der Sohn des Zebedäus und der Maria Salome, des Heilands Lieblingsjünger.

Die zweite Gruppe bilden Maria Magdalene (27), die seit ihrer Bekehrung von der innigsten Liebe zu Jesu erfüllt ist, Maria Salome (28), die Mutter des Johannes.

Die dritte Gruppe bilden Simon von Eyrene (29), der aus Afrika zum Osterfest nach Jerusalem gekommen und von den römischen Soldaten angehalten worden war, Jesu das schwere Kreuz abzunehmen und dasselbe eine Strecke des Wegs zu tragen, Susanna (30), des Synagogenvorstehers Jairus Frau oder Witwe, deren 12 jähriges Töchterchen der Heiland vom Tod erweckt hatte, und Johanna (31), des Herodianischen Königsbeamten Chuza Gemahlin, welche Jesus die wunderbare Heilung ihres todkrank darnieder liegenden Sohnes zu verdanken hatte.

Die vierte Gruppe bilden Nikodemus (32), ehedem ein heimlicher, jetzt ein offener Anhänger Jesu, und ein Mitglied des hohen Rates, der reich begüterte Joseph von Aritmathia (33), der mit der Verurteilung Jesu nicht einverstanden war und jetzt den Tod Jesu abwartet, um sich sofort von dem Landpfleger Pilatus die Erlaubnis zu erwirken, in seinem dem Hügel Golgatha gegenüberliegenden Felsengrab die Leiche Jesu beizusetzen.

Im Hintergrund dieser vier Gruppen stehen Männer und Frauen, die aus Mitleid dem Heiland auf die Richtstätte gefolgt sind, darunter Veronika (34), eine Jüdin aus Paneas (Caesarea Philippi), welche vom Heiland wundervoll von einer Krankheit geheilt worden war.

 

Die Überlieferung bezeichnet diese Veronika als dieselbe Person, welche sich in Jerusalem, als Jesus mit dem schweren Kreuz an ihrer Wohnung vorüberging, mitten durch die Menge des Volkes und die Soldaten drängte und, zu Jesu Füßen niederfallend, ihm zum Abtrocknen seines blutigen Angesichts ein Schweißtuch reichte, in welches dann der Heiland sein Angesicht abdrückte.

Dieses Leintuch der hl. Veronika mit dem Abdruck des schmerzvollen Antlitz Jesu wird unter dem Namen Volto Santo „Heiliges Angesicht“ zu Rom in der St. Peterskirche aufbewahrt.

 

Der aus Bethanien herbeigeeilte Lazarus (35), den Jesus kurze Zeit vor dem Tod erweckt hatte, und seine Schwester Martha (36), treten in die unmittelbare Nähe des Kreuzes, auf jedes Wort Jesu lauschend und sehnsüchtig harrend, ob sie dem Verscheidenden nicht irgend einen Liebesdienst erweisen können.

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Hat der Beschauer des Panoramas die ganze Kreuzigungsgruppe noch einmal überschaut, so mag er seinen Blick über die drei Kreuze hinweg auf jenen Berg senden, der sich an der Nordseite der Stadt Jerusalem erhebt. Es ist der Berg Skopus, der in der vorchristlichen Zeit durch Alexander den Großen, und in der Zeit nach Christus durch Titus, der im Jahre 70 n. Chr. Jerusalem belagerte, eroberte und zerstörte, eine besondere geschichtliche Bedeutung erlangt hat.

 

Über diesen Berg Skopus nahm, wie der jüdische Geschichtsschreiber Flavius Josephus (Altert. IX) berichtet, Alexander der Große seinen Weg, nachdem er Gaza eingenommen hatte, um die Bewohner Jerusalems zu züchtigen. Bei dieser drohenden Gefahr nahm der Hohepriester Jaddus, Sohn und Nachfolger Jochanans, seine Zuflucht zu einer Überraschung: Er ging in vollem Ornate, begleitet von den Priestern und Leviten und einem großen Teil des Volks dem mächtigen Alexander, dem über dem Skopus herabsteigenden Eroberer, entgegen, geleitete ihn in das mit Kränzen reich geschmückte Jerusalem und zeigte ihm die Weissagung Daniels, wonach er das persische Reich stürzen werde. Alexander, betroffen durch das, was er sah und hörte, und an ein früheres Traumgesicht erinnernd, bei welchem eben dieser Hohepriester ihm erschienen war und geraten hatte, getrost gegen Persien zu ziehen, da er siegen und dieses Reich beherrschen werde, bezeigte sich wohlwollend gegen die Juden, machte dem Tempel große Geschenke und gewährte dem Volk unter mazedonischen Befehlshabern große Freiheiten. -

Über den Berg Skopus rückte der römische Befehlshaber Titus im Jahr 70 n. Chr. Von Gophna her gegen die Stadt Jerusalem und ließ dort für zwei Legionen Lager aufschlagen (Flavius Josephus Jüd. Krieg V. 2, 3.). Von da ging gegen die Stadt selbst vor, eroberte sie und machte sie dem Erdboden gleich, als Heide die Weissagung Christi erfüllend: „dass von dieser Stadt kein Stein auf dem andern bleiben werde zur Strafe dafür, dass ihre Bewohner verstockt blieben“.

           

An den Skopus schließt sich in südlicher Richtung der Ölberg an, welcher von den westwärts gelegenen Stadt Jerusalem durch das dem Beschauer nicht sichtbare Tal Josaphat geschieden ist. Der nördliche Teil des Ölbergs, gewöhnlich „Berg der Galiläer“ oder kurz „Viri Galilaei“ genannt, ist mit einer Anzahl von Zelten (37) bedeckt, die zur Zeit des Osterfestes regelmäßig von den aus Galiläa kommenden armen Festpilgern aufgeschlagen werden, weil diese bei ihrer Armut in der Stadt Jerusalem selbst kein Obdach finden.

            Den südlichen Teil des Ölbergs durchschneidet ein Pass, durch welchen eine Straße zunächst nach dem Weiler Betphage (38) führt, wo Heiland zum Zweck seines feierlichen Einzugs in Jerusalem ein Eselsfüllen bestiegen hatte, uns von da nach dem hinter dem Ölberg gelegenen Bethania, woselbst die Erweckung des Lazarus vom Tode statt hatte.

            Der südwestlich von diesem Pass gelegene teil des Ölbergs ist der Berg des Ärgernisses, so genannt, weil das jüdische Volk daran Anstoß nahm, dass ihr König Salomo auf diesem Berg seinen heidnischen Frauen zuliebe einen Götzentempel hatte erbauen lassen. Die Ruinen auf der Höhe (39) bezeichnen die Stätte, an welcher dieser Tempel einst gestanden hatte.

            Durch die breite und tiefe Schlucht, welche den Ölberg im Süden teilt, gewinnt der Beschauer des Panoramas eine freie Aussicht auf die Wüste Juda, die in diesem Moment, wo die Sonnenfinsternis auch diesen Teil der Umgebung Jerusalems zu verdunkeln beginnt, durch den über sie ausgegossenen Lichtglanz erkennbar ist.

            Hinter dieser Wüste liegt das tote Meer, und hinter diesem sieht der Beschauer die Gebirge von Eilead und Moab, die schon im nächsten Moment durch die Sonnenfinsternis unsichtbar sein werden.

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         Kehrt jetzt der Blick des Beschauers von dieser Straße auf den Ort zurück, der unmittelbar zu seinen Füßen liegt, so tritt ihm außerhalb der Mauern der Stadt ein buntes Treiben von den Käufern und Verkäufern entgegen, welche zur Feier des Osterfestes nach Jerusalem gekommen sind und an diesem Platz die richtige Stelle gefunden zu haben glauben, ihre wechselseitigen Wünsche zu befriedigen.

            Der Verkehr zwischen diesem Markt und der Stadt vermitteln 3 auf dieser Stadtseite vorhandenen Tore: das Fischtor (seit den Kreuzzügen Richttor genannt) im Norden (40), dem Beschauer des Panoramas in seinem Unterbau nicht ganz sichtbar, weil es durch den vor ihm aufsteigenden Hügel Golgatha teilweise gedeckt ist, das Ecktor (41), auch altes Tor genannt, dem Beschauer gerade gegenüber, und das Gennattor (42) oder Gartentor, rechts vom Standplatz des Beschauers, südwestlich vom Ecktor gelegen und mit diesem durch eine Straße verbunden, die stark von Fremden und Einheimischen begangen und an manchen Stellen von Aussätzigen, die sich ihren Lebensunterhalt durch Betteln verschaffen müssen, förmlich belagert ist.

            Zur rechten Seite der vom Generaltor zum Ecktor führenden Straße ist der Hiskia- oder Patriarchenteich sichtbar, der jetzt Amygdalon oder Mandelteich genannt wird. Neuere Forscher sind der Ansicht, dass dieser Teich nicht „Amygdalon“, sondern „Amygdalim“ (=Turmteich) zu nennen sei von den Türmen Hippikus, Phasel und Mariamne, welche in seiner Nähe standen.

 

Seine Entstehung verdankt dieser Teich dem König Hiskia von Juda (727 - 698 v.Chr.), von den Juden gewöhnlich „Ezechias“ genannt, der nach dem Bericht nach der hl. Schrift (Sirach 48, 49; 4 Kön. 20, 20 und 2, paral. 32, 30) den Abfluss des oberen Eihonteichs durch einen unterirdischen Kanal nach der Stadt hingeleitet hat.

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Im Hintergrund dieses großen zum Handel benützten Platz steht

die Stadt Jerusalem,

rings von hohen Mauern umgeben, die nicht verkennen lassen, dass diese Stadt im Laufe der Zeiten gewaltige Angriffe erlitten habe.

            In jenem Teile der Stadt, welcher zwischen dem Standpunkt des Beschauers und dem Ölberg liegt, fesseln 4 großartige Bauwerke unwillkürlich den über die Häusermenge schweifenden Blick - es sind dies in der Nordwestecke die Antonia, südöstlich von dieser der Tempel und in unmittelbarer Nähe von diesem der Xystus und der Palast der Hasmonäer.

 

Die Burg Antonia (43).

            In der Gegend, in welcher die Burg Antonia sich erhebt, stand ursprünglich ein von Salomo oder einem der ihm zunächst folgenden Könige aufgeführtes Gebäude, welches bei Rehemias (2, 8) „Bira beim Hause des Herrn“, d.h. eine in der Nähe des Tempels gelegene Burg genannt wird. Dieses Gebäude, in der griechisch-syrischen Zeit „Baris“ genannt und später von Johannes Hyrkanus I durch einen starken Turm namhaft verstärkt, wurde von Herodes dem Großen umgebaut und seinem Gönner und Freund Antonius zu Ehren „Antonia“ genannt.

 

Das Innere der Antonia hatte die Einrichtung und die Räumlichkeiten eines Palastes und war in Gemächer jeder Art eingeteilt, in Hallen, Bäder und geräumige Kasernhöfe, so dass die Ausstattung ihr das Ansehen einer Stadt für sich, die Pracht ihr das Ansehen eines Königspalastes verlieh.

Das Ganze sah von Außen wie ein riesiges Festungswerk aus und war auf den Ecken mit 4 Türmen versehen, von welchen drei ungefähr 28 m, der vierte dagegen an der Südostecke, also dem Tempel zugewendet, ungefähr 39 m Höhe hatte, so dass man von ihm aus den ganzen Tempelplatz überschauen konnte.

Zur Zeit der Belagerung der Stadt durch Titus bildete diese Burg einen der festesten Stützpunkte für die aufständischen Juden gegenüber den Angriffen der römischen Legionen, wurde aber schließlich von letzteren überrumpelt und in der Folge dem Erdboden gleichgemacht.

Lange Zeit ist diese Burg Antonia irrtümlicherweise als jener Ort betrachtet worden, an welchem der Heiland von dem Landpfleger Pontius Pilatus zum Tode verurteilt wurde. Den neuesten Forschungen zufolge diente aber die Burg Antonia unter dem Landpfleger Pontius Pilatus der römischen Besatzung als Kaserne, Pontius Pilatus dagegen residierte in dem von Herodes dem Großen erbauten Palast, in der Herodianischen Königsburg, welche der Beschauer später in Nähe des Hiskiateiches erblicken wird.

 

Der Tempel (44).

Der Tempel, welchen König Salomo auf dem Berge Moriah von 1012 bis 1005 v.Chr. erbaut hatte, wurde im Jahr 588 v.Chr. unter der Regierung des jüdischen Königs Zedekia von dem chaldäischen König Nebukadnezar (Nabuchodonosor) zerstört. Nach der Rückkehr der Juden aus der babylonischen Gefangenschaft im Jahr 536 v.Chr. wurde der Tempel auf der Grundlage des zerstörten wieder aufgebaut, aber nur bis zur halben Höhe, und im März 515 v.Chr. eingeweiht. Man nannte diesen Tempel, zu dessen Aufbau der jüdische Fürst Serubabel sehr viel beigetragen hatte, den „Serubabelischen Tempel“.

            Im Jahr 23 v.Chr. schritt König Herodes der Große zum Umbau des Serubabelischen Tempels und stellte ihn in der Weise her, wie ihn das Panorama der Beschauung bietet.

 

Das Tempelgebäude, in welches nur der Hohepriester und die Priester Zutritt hatten, war aus weißem Marmor aufgeführt und hatte eine dem Ölberg zugewandte Halle von nahezu 67 m Höhe, durch welche man in das Heiligtum und in das Allerheiligste gelangte. Das an die Vorhalle sich rückwärts anschließende Gebäude, in welchem das Heiligtum und das Allerheiligste sich befand, hatte eine Höhe von ungefähr 56 m. Nach seinen 4 Seiten war das Tempelgebäude von dem Priestervorhof umschlossen, und außer diesem waren noch 4 andere Vorhöfe vorhanden, nämlich: der Levitenvorhof, der Stationsvorhof (welcher den Vertretern der ganzen jüdischen Nation reserviert war), der Judenvorhof, auch Frauenvorhof genannt, und der alle diese Vorhöfe und das Tempelgebäude nach 4 Seiten hin umschließende Tempelvorhof. Dieser letztere war ein mit Mauern und Säulengängen umschlossenes unregelmäßiges Viereck, welches innerhalb der Mauern nahezu 1533 m an Umfang hatte. Bei der Eroberung Jerusalems durch Titus im Jahr 70 n.Chr. wurde der Herodianische Tempel gänzlich vernichtet.

Einen genauen Einblick in dieses großartige Bauwerk vermittelt der beigefügte Grundriss des Herodianischen Tempels samt der Erklärung.

 

Der Xystus (45).

            Dieser war ein mit einer gedeckten Säulenhalle umgebener freier Platz, welcher als Rennbahn und zur Abhaltung von Kampfspielen eingerichtet war, manchmal auch zu Volksversammlungen diente. Der griechisch gesinnte Hohepriester Jason, welcher dem jüdischen Volk von dem König Antiochus IV von Syrien (175 - 164 v.Chr.) aufgedrungen worden war, erbaute den Xystus, der auch „Gymnasium“ genannt wurde, zum großen Ärger der orthodox und national gesinnten Juden unter der Akropolis d.h. unter dem Tempel, und bot alles auf, das Volk dem Mosaischen Gesetz zu entfremden. An diesem Xystus stellte sich später Titus auf, nachdem er den Tempel erobert hatte, um die besiegten zur Unterwerfung aufzufordern.

 

Der Palast der Hasmonäer (46).

Wie schon die Bezeichnung sagt, wird die Erbauung dieses Palastes den Hasmonäern zugeschrieben, aber es ist keine Nachricht auf uns gekommen, welcher von den hasmonäischen Fürsten der eigentliche Erbauer gewesen ist. Aller Wahrscheinlichkeit nach fällt der bau in das Ende des 2. Jahrhunderts v.Chr., in das Jahr 105 v.Chr., denn es ist glaubwürdig überliefert, dass dieses Gebäude seit der Regierung des hasmonäischen Fürsten Alexander Jannäus (105 - 79 v.Chr.) die gewöhnliche Residenz der Hasmonäer gewesen ist.

 

Der Idumäer Herodes, im Jahr 40 v.Chr. vom römischen Senat zum König von Judäa ernannt, setzte sich im Jahr 37 v.Chr. mit Hilfe römischer Truppen in den besitz der Stadt Jerusalem und bezog im Jahr 30 v.Chr., von Oktavius in seiner Würde bestätigt, den Palast der Hasmonäer, den er erst verließ, als er sich an der nordwestlichen Seite der Oberstadt einen neuen Palast erbaut hatte, die herodianische Königsburg, welche zum Unterschied von dem etwas niedriger gelegenen Palast der Hasmonäer gewöhnlich „der obere Königspalast“ genannt wurde.

Als nach dem Tod Herodes des Großen die herodianische Königsburg zunächst den römischen Befehlshabern als Aufenthaltsort und Standquartier, und seit der im Jahr 6 n.Chr. erfolgten Verbannung des Archelaus von den römischen Landpflegern als Residenz während ihrer Anwesenheit in Jerusalem benützt wurde, mussten sich die Mitglieder der Herodianischen Königsfamilie wieder mit dem Besitz des Palastes der Hasmonäer begnügen.

In diesem Palast residierte in der Zeit, zu welcher Christus vor den Richterstuhl des Pontius Pilatus gestellt wurde, der Vierfürst Herodes Antipas von Galiläa, der zum Osterfest nach Jerusalem gekommen war. Hier wurde Jesus, den Pilatus dem Herodes vorführen ließ, zum Spott mit einem weißem Gewand bekleidet und dann zu Pilatus zurückgeschickt.

 

            Wendet sich der Beschauer vom Palast der Hasmonäer nach rechts, so hat er den südlichen Teil Jerusalems und im Hintergrund einen durch das Hinnomtal von der Stadt geschiedenen Höhenzug vor sich, welcher ursprünglich har hakk-bârim, d.h. Berg der Gräber, später Berg des Hakeldama (=Blutacker) genannt wurde. Von den Franken wurde er „Berg des bösen Rates“, von den Arabern wird er Djebel Abu Tôr genannt.

            Berg des bösen Rates heißt die Anhöhe, weil auf ihr das Landhaus des Hohenpriesters Kaiphas (47) stand, in welchem die Oberpriester und Schriftgelehrten mit Judas Ischkarioth über die Auslieferung Jesu unterhandelten.

 

Die Bezeichnung „Berg Hakeldama“ (=Berg des Blutackers) kommt daher, dass ein zu ihm gehöriges Gebiet, welches ursprünglich Eigentum eines Töpfers war, nach einem Beschluss der Oberpriester um die von Judas in den Tempel geworfene dreißig Silberlinge, also um Blutgeld, als Begräbnisplatz für Fremde erkauft wurde. Bis zum 18. Jahrhundert waren die Gräber daselbst sehr gesucht und wurden oft teuer bezahlt, weil man den Wahn hegte, was dort begraben werde, sei frei von aller Rechenschaft für seine Sünden. Von der Meinung beherrscht, der Thon von Hakeldama besitze die Kraft, Leichname in weniger als 24 Stunden zu verzehren, ließen im Jahre 1208 die Pisaner ganze Schiffsladungen von dieser Erde holen und füllten damit die Höfe ihres prächtigen Campo Santo aus.

 

Das von den Gebäuden Jerusalems überschnittene Tal Hinnom, von Westen kommend, legt sich um die Südwest- und Südseite der Stadt herum. In der alten Zeit hieß dieses Tal, insoweit es die Südwestseite Jerusalems umgab, das Hinnomtal oder genauer ge bene hinnom, d.h. Tal der Kinder des Gestöhns.

 

Vorzugsweise haftete dieser Name an der unteren Hälfte dieses Tals (heute Wâdi er - Rebâbi). In dieser Gegend wurden im Altertum dem Götzen Moloch Kinder als Opfer gebracht, wobei die Könige Achatz (742 - 727 v.Chr.) und Manasse (698 - 643 v.Chr.) selbst ihre eigenen Söhne nicht schonten (4 Kön. 16, 3; 21, 6 und 23, 10). Der Prophet Jeremias bekämpfte diese Verirrungen, und der König Josias (641 - 610 v.Chr.) machte die durch den Molochdienst verunreinigte Stelle zum Gegenstand des Fluchs. Man nannte sie Tophet (= Brandstätte), weil dort ständig ein Feuer unterhalten wurde, um den aus der Stadt dahin verbrachten Unrat zu verbrennen und dadurch die Entstehung pestartiger Krankheiten zu verhüten. Noch in späterer Zeit war diese Stelle der jüdischen Bevölkerung ein Gegenstand der Abscheu, daher das Wort „Ehenna“, aus gê benê hinnôm abgekürzt, soviel als „Hölle“ bedeutet mit Beziehung darauf, dass der an diesem Ort abgelagerte Unrat als Sinnbild des Sündenschmutzes, das Feuer aber, welches dort ständig unterhalten wurde, als Sinnbild der die Gottlosen im jenseits erwartenden Qual genommen wurde. -

           

Kehrt der Beschauer vom Hinnomtal in den südlichen Teil der Stadt Jerusalem zurück, so sieht er an der Nordwestseite dieses Stadtteils ein die ganze Umgebung beherrschendes Bauwerk:

Die Herodianische Königsburg (48a und b).

An dieser sind 2 Teile zu unterscheiden, die befestigte Burg und der südlich davon stehende Palast, beides von Herodes dem Großen erbaut.

            Die Burg oder Feste (48a) schließt 3 Türme in sich: den Hippikus, den Phasael und die Mariamne. Der Hippikus, welcher an der Nordwetecke steht und von dem Phasael, der von ihm östlich steht, mehr als zur Hälfte verdeckt wird, war von Herodes nach seinem Freund, der Phasael nach seinem Bruder, und der Turm Mariamne nach seiner Gemahlin, des Hohenpriesters Hyrkan II Enkelin, benannt worden. Die Höhe des Hippikus beträgt 45 m, die des Phasael 50 m, und jene der Mariamne 36 m.

 

Als Titus die Stadt Jerusalem eroberte, erließ er den Befehl, diese 3 Türme, welche von den Verteidigern zum Teil abgetragen waren, unberührt zu lassen als Denkmäler des Bollwerks, das er bei Eroberung dieser Stadt zu bezwingen hatte. Einer dieser Türme, der Phasael, wird von Vielen als der in der hl. Schrift vielgenannte „Turm Davids“ angesehen, aber mit Unrecht, denn letzterer stand gar nicht in dieser Gegend, sondern südlich vom Tempel in der Unterstadt bei der Akra und war samt dieser im Jahre 142 v.Chr. von dem Makkabäerfürsten Simon vollständig geschleift worden, damit er nicht wieder, wie das lange Zeit geschehen war, von den Siegern als Zwingburg gegen die Bewohner Jerusalems gebraucht werden könne.

 

            Der von Herodes erbaute Palast (48b) steht südlich von der befestigten Burg. Die zwei Flügel dieses Baues hat Herodes nach seinen zwei Gönnern und Freunden, nach Cäsar Oktavanius und Agrippa, Kaisaraion und Agrippeion benannt.

 

Hinter dem Palast liegt ein Park, mit allem ausgestattet, was durch Geld und Kunst hergestellt werden konnte. Nach dem Tod Herodes des Großen wurde dieser Palast von dem römischen Quästor Sabinus besetzt, musste aber von denselben an Archelaus, einen der Söhne Herodes des Großen, hinausgegeben werden. Als dieser im Jahr 6 n.Chr. als Ethnarch von Judäa. Jdumäa und Samaria entsetzt und nach Bienne in Gallien verbannt wurde, kam die Herodianische Königsburg in die Hand des römischen Landpflegers Koponius und seiner Amtsnachfolger. Da Pontius Pilatus, der vierte Nachfolger des Koponius, in diesem Palast residierte, so sind alle Orte, welche mit der unter Pilatus stattgefundenen Verurteilung des Erlösers verknüpft sind, wie z.B. das Prätorium, das Lithostroton oder Gabbatha in diesem Palast zu suchen.

Der Berg, welchen der Erlöser zur Stätte des Todes ging, der wahre Kreuzweg, führte somit vom vormaligen Palast des Herodes aus der Oberstadt durch das Gennattor zum naheliegenden Golgatha.

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Wendet sich der Beschauer vom Turm Phasael aus nach rechts, so findet er die Reste einer orientalischen Mühle (49) und hinter diesen einen riesigen Pinienbaum (50), dergleichen das gelobte Land zur Zeit des Erdenwandels Christi sehr viele aufzuweisen hatte, während heutzutage im ganzen Land nur mehr an einem Ort, im Kloster der Armenier zu Jerusalem, ein Exemplar von solchem Umfang zu finden ist.

Hiermit ist der Beschauer des Panoramas an den Punkt zurückgekehrt, an welchem er seinen Rundgang begonnen hat. Der Panoramaführer scheidet unter dem herzlichen Gruß:

Gott befohlen!

 

 

Das Panorama wurde von Herrn Bruno Piglhein entworfen und unter seiner Leitung hergestellt. Für die technische Ausführung bediente sich Herr Piglhein der Mitwirkung des Herrn Architekturmalers Karl Frosch, der Herren Landschaftsmaler Joseph Krieger und Adalbert Heine, sowie seines Schülers Herrn Joseph Block. Vor Beginn des Werks hat Herr Piglhein in Begleitung der Herren Frosch und Krieger behufs Vorstudien mehrere Monate in Jerusalem und Umgebung zugebracht.