Piglhein:
Elimar Ulrich Bruno P., Maler, wurde am 19. Februar 1848 in Hamburg als der
Sohn eines angesehenen Dekorateurs geboren, der ihn schon frühzeitig mit seinem
Handwerk vertraut machte, indem er ihn zahlreiche kunstgewerbliche Zeichnungen
anfertigen ließ. Als er seine Schulzeit hinter sich hatte, trat er in das
Bildhaueratelier von Lippelt ein. Nach dessen Tode bezog er im Jahre 1864 die
Dresdner Kunstakademie und wurde hier Schüler Schilling’s. Da er jedoch viel zu
realistisch arbeitete und zu malerisch empfand, entschloss er sich, die
Bildhauerei an den Nagel zu hängen und Maler zu werden. In diesem Berufe wandte
er sich zunächst nach Weimar, wo er sich an der unter Pauwel’s Leitung stehenden
Kunstschule ausbilden wollte. Da ihm aber das kleinstädtische Wesen in Weimar
nicht behagte, siedelte er schon nach einem halben Jahre (1870) nach München
über. Er wurde hier vorübergehend Schüler von Diez, machte sich jedoch sehr
bald selbstständig und schuf zunächst unter dem Einflusse Makart’s eine Reihe
dekorativer Arbeiten, die über den engsten Kreis ihrer Besteller nicht hinaus
bekannt geworden sind. Ferner übte damals auch Böcklin eine große
Anziehungskraft auf ihn aus, wovon eine Reihe von Zentaurenbilder aus den
siebziger Jahren Rechenschaft gibt. Obwohl er schon damals für Hans v. Schöen
in Worms die damals in vielen Nachbildungen verbreitete Idylle „Kind und Hund
am Ufersteg sitzend“ gemalt hatte, blieb er doch noch lange dem Publikum so gut
wie unbekannt. Das änderte sich erst im Jahre 1879, wo er auf der Münchener
Ausstellung mit seinem großen Kreuzigungsbilde: „Moritur in Deo“ (heute in der
Berliner National-Galerie) allgemeines Aufsehen erregte. Aber die Käufer
blieben auch diesmal aus. Piglhein entschloss sich daher auf Anregung des
Kunsthändlers Ackermann in München, zum Pastellstift zu greifen und sein Glück
mit der Schilderung pikanter Damen zu versuchen, unter denen er Pieretten,
weibliche Jockeys, spanische Tänzerinnen und stark dekolltierte Ballschönheiten
bevorzugte. Gleichzeitig schuf er eine Reihe von Kinderbildern und wusste sich
noch durch mehrere Porträts aus der Münchener Gesellschaft einen Namen zu
machen. Bald kam er in die Mode, wurde freilich auch von der strengen Kritik
als Sittenverderber und Hetärenmaler angegriffen. Daß er diesen Vorwurf nicht
verdiente, sondern im Grunde eine durchaus ernst veranlagter Künstler war,
zeigte er durch das mit großer Sorgfalt auf Grund eingehender Studien in sehr
kurzer Frist gemalte „Panorama der Kreuzigung Christi“, durch das er einen
vollgültigen Beweis seines bedeutenden Wissens und ungewöhnlichen Könnens
ablegte. Leider ging das im Jahre 1896 vollendete und zuerst in München
ausgestellte Rundgemälde, das die allgemeine Bewunderung voll verdiente, im
Jahre 1892 bei einem Brande in Wien vollständig zu Grunde. In den nächsten
Jahren beschäftigte sich Piglhein wiederum mit größeren Arbeiten ernsten
Inhalts. Die große „Grablegung“ vom Jahre 1888 erwarb der bairische Staat für
die neue Pinakothek in München. Viel Aufsehen erregte im Jahre 1890 „Die
Blinde“, ein Riesenbild, das im Jahre 1891 in Berlin an einen Amerikaner
verkauft wurde. Bei Begründung der Münchener Sezession im Jahre 1892 trat er
als Präsident an deren Spitze, obwohl er schon damals mit einem schweren, seine
Arbeitskraft hemmenden körperlichen Leiden zu kämpfen hatte. Er starb am 15.
Juli 1894. Vom Januar bis März 1895 fand eine Ausstellung seiner Werke in der
Berliner National-Galerie statt.
Zeitschrift für bildende Kunst. 22. Jahrgang. Leipzig 1887,
Seiten 165 bis 172. – Friedrich Pecht, Geschichte der Münchener Kunst im 19.
Jahrhundert, München 1888, Seiten 381 – 382. – Adolf Rosenberg, Die Münchener
Malerschule in ihrer Entwicklung seit 1871, Leipzig 1887, Seiten 70 – 72. – Ders.,
Geschichte der modernen Kunst III, 119 – 120, Leipzig 1889. – Die Kunst für
Alle, 9. Jahrgang, 1893 – 1894, München 1894, Seiten 342 – 343. – Illustrierte
Zeitung, Leipzig 1894, Nr. 2665, Seite 103. – Friedrich von Boetticher,
Malerwerke des 19. Jahrhunderts II, 269 – 272, Dresden 1898.
H. A. Lier
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