Ausstellung in der königl. National-Galerie zu Berlin, 1895



BEMERKUNG:

Diejenigen Nummern des Katalogs, welche keine Eigentumsbezeichnung tragen, gehören zum Nachlass des Künstlers.

In der modernen deutschen Malerwelt ist BRUNO PIGLHEIN eine der erfreulichen Erscheinungen. Als echter genialer Künstler schuf er, frei von akademischer Nüchtern­heit, aus sich heraus und lebte in warmer Fühlung mit den künstlerischen Interessen seiner Zeit. Er gab seinen Werken das Gepräge persönlicher Empfindung, besaß in hohem Grade Tempe­rament und beherrschte vermöge seiner energischen Gestaltungs­kraft weite Gebiete des künstlerischen Schaffens. Freude am Leben und an der Farbe, genussfrohe Regsamkeit der Phantasie ist die Signatur vieler seiner Werke, in anderen spiegelt ein tiefes und ernstes Sinnen sich wieder, wie es der Seele des Künstlers eigen war. Im Besitz eines sicheren Formgefühls und Form­gedächtnisses hat er sein bewegliches Talent, seine malerische und koloristische Begabung an möglichst verschiedenartigen Aufgaben erprobt und als Meister von zielbewusster Eigenart sich bewährt. Seine dekorativen Arbeiten zeigen persönlichen, geläuterten Ge­schmack und erfreuen durch sprudelnd malerisches Leben, in welchem die Phantasie froher Laune die Zügel schießen lässt, Es scheint, als ob unsere Zeit in der Verwertung dieser glänzenden Begabung PIGLHEINS allzu sehr gekargt hätte. Der häufige Mangel des äußeren, wohlverdienten Erfolges lag wie ein Schatten auf seinem Leben und auf seiner Schaffensluft. Manche Pläne und Lieblingsideen zu verwirklichen, wie die Reform des Theater­dekorationswesens, musste er sich versagen. Dennoch war sein kurzes Leben, das mit einer unruhigen Studienzeit begann, reich an köstlichen Früchten, wie aus der Schilderung seiner künst­lerischen Entwickelung und seiner Tätigkeit erhellen mag.

ELIMAR ULRICH BRUNO PIGLHEIN wurde am 19. Februar 1848 zu Hamburg geboren. Im Hause des Vaters, eines beliebten Dekorateurs, erwarb er sich frühzeitig Fertigkeit im kunst­gewerblichen Zeichnen und Verständnis für dekorative Aufgaben. Auf weitem Umweg gelangte er zur Erkenntnis seiner besonderen künstlerischen Veranlagung. Zunächst entschied er sich für die Bildhauerkunst und trat im Jahre 1863 in die Hamburger Werk­statt von LIPPELT ein. Nach dem Tode feines Lehrers besuchte er längere Zeit die Kunstakademie zu Dresden, doch dem ursprünglichen, früh nach Unabhängigkeit verlangenden lebhaften Naturell des Schülers widerstrebte der akademische Lehrzwang. Zur weiteren Ausbildung trat er in SCHILLINGS Atelier ein. Die strenge antikisierende Richtung des Meisters vermochte aber nicht, ihn auf die Dauer zu fesseln. Die eigenen plastischen Ver­suche und Entwürfe, ein Fackelträger, eine Brunnenfigur und die Gruppe einer ihren Enkeln Märchen erzählenden Großmutter waren für seine künstlerische Entwicklung von Bedeutung und Nutzen, schienen ihn aber selbst nicht zu befriedigen und eher auf ein malerisches als rein plastisches Talent zu deuten. Auf einer in Begleitung des Vaters ausgeführten Reise nach Italien erwachte der Eifer und das Interesse des Malers in ihm. Ein wohlgelungenes Porträt seiner Schwester bestärkte ihn in dem Entschluss, die Bildhauerei aufzugeben. Auf der Kunstschule in Weimar übte er sich unter PAUWELS Leitung im Handwerk der Malerei und siedelte im Jahr 1870 nach München über, wo er sich kurze Zeit an W. DIEZ anschloss und seine zweite Heimat fand.

In seinen künstlerischen Bestrebungen ging er, wenn auch zunächst noch beeinflusst, bald seine eigenen Wege. Er trat in dieser frohen Werdezeit als freier Künstler auf und gewann durch die Vorzüge seiner persönlichen, von edel männlicher Schönheit begünstigten Erscheinung*) alle Herzen seiner Umgebung. Damals hat die farbenfreudige, auf glänzend dekorative Wirkung abzielende Kunst MAKARTS, des gefeierten Koloristen, PIGLHEIN zu geistes­verwandten, doch den Anforderungen formeller Durchbildung gerechteren, weil auf eingehenderem Studium der Natur be­ruhenden Arbeiten angeregt, von welchen im Jahre 1873 im Hamburger Kunstverein die „von Genien bekränzte Herme“ aus­gestellt war. Für die Villa seines Bruders in Hamburg entwarf er das Plafondgemälde „Tag und Nacht“ und im Auftrage des Herrn H. von OHLENDORFF daselbst: im Jahre 1875 eine Verherr­lichung des Familienglücks. Dieses stattliche Repräsentationsbild, wie auch der schöne Kinderfries, den Piglhein für seinen Freund, den Maler L. LESKER in München, malte, sowie die lebhaft bewegte, geistreiche Schilderung eines Bacchanals ist mit jener koloristisch feurigen Kraft ausgeführt, die er an MAKARTS phänomenaler, auf Reichtum und sinnliche Glut der Färbung gerichteten Vortrags­weise bewunderte. Eine andere Gruppe von Bildern aus den Jahren 1875 bis 1879 erinnert durch die Wahl der Motive und durch den Ausdruck phantastisch-poetischer Stimmung an BÖCKLINS Natursymbolik. Während das für seine Schwester gemalte Bild&xnbsp; »Am Strande« an ähnliche Kompositionen FEUERBACHS denken lässt, weisen mehrere Darstellungen von Centauren wiederum auf BÖCKLINS Phantasiewelt hin, namentlich die „Centauren im Meer“ und das mehrfach variierte Paar, das bei glimmendem Abendrot in traulicher Umarmung den Meereswogen entgegensprengt, ein Bild von elementarer Wucht, fesselnd durch die prägnante Schil­derung einer großen einsamen Natur und des leidenschaftlich erregten Lebens. Zu dieser Richtung gehören auch die flotten Federzeichnungen »Centaurenkampf« und »Gute Beute« in dem Werke »Künsterlaunen«.**)

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*) Vgl. Das Se1bllbildnifs des Künstlers v. J. 1874,

**) Vgl. Künstlerlaunen. 33 Zeichnungen von H. BATSCH, W. DlEZ, F. A. KAULBACH, HUGO KAUFFMANN. BR. PIGLHEiN, RUD. SEITZ, ERNST ZIMMERMANN, H. ZÜGEL u. A. Mit alten und neunen Gedichten. München. Ver­lag von FR. BASSERMANN, 1879.

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Zur größeren Reife und Selbständigkeit gelangte Piglhein nach einem Aufenthalt in Paris, der ihm zu einer intimeren Kenntnis der französischen Malerei verhalf und seiner eigenen Kunst neue Impulse gab. Zurückgekehrt malte er im 31. Lebensjahr sein großes Kreuzigungsbild&xnbsp; „Moritur in Deo“*) das seinen Namen in weitere Kreise hinaustrug. Kurz vor dem Hinscheiden des Künstlers ist dieses Hauptwerk von dessen Gönner und Freunde, dem Geh. Kommerzienrat Friedrich Alfried KRUPP, erworben und als Geschenk an Se. Majestät den Kaiser und König nach Allerhöchster Bestimmung der National-Galerie überwiesen worden. Das Bild ist in rein malerischem Sinne ebenso schätzenswert wie als Ausdruck seiner tiefen Empfindung und selbständigen Auffassung. Wie eine Vision ragt das Kreuz mit dem sterbenden Erlöser in das Gewölk, das vom Himmelstrahl durchbrochen ist. In dem Augenblick, wo das Auge des Heilandes sich verklärt, breitet der Todesengel seine Schwingen über ihn aus und küsst ihm gleichsam die Seele von der Stirn. Mit einer durch plastische Vorstudien gereiften Meisterschaft, mit kraftvoller Realistik ist der schmerzdurchdrungene Körper und der in Verkürzung hinter dem Kreuz schwebende Engel dargestellt. Seine volle jugendliche Kraft und Begeisterung hatte Piglhein in diesem an TINTORETTOS Art erinnernden Gemälde ein­gesetzt. Mit leicht beweglichem Sinn entsagte Piglhein eine Zeit lang der religiösen Malerei und wandte sich, zum Teil wohl Pariser Eindrücken nachgebend, einem anderen Kunstzweig zu.

Statt Pinsel und Palette nahm er den Pastellstift zur Hand, das charakteristische Darstellungsmittel im Zeitalter des Rokoko, das auf die stoffliche Wahl nicht ohne Einfluss blieb. Die von LENBACH und Fr. A. KAULBACH mit glänzender Meisterschaft neu belebte Art der farbigen Zeichnung hat Piglhein als hervorragender Spezialist auf diesem Gebiet zur ausgebildeten Pastellmalerei weiter entwickelt. Den scheinbar flüchtigen, improvisierenden und kapriziösen Reiz dieser lichtvollen Pastellbilder, die ihre besondere Berechtigung erst in der virtuosen Behandlung zur Geltung bringen, hat Piglhein mit unvergleichlicher Lebendigkeit hervor­zuzaubern verstanden.

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") Radiert von W. HECHT. München. Jos. AUERMÜLLER Heliogravur in der Zeitschrift für bildende Kunst. 1887.

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Für die Schilderung der weiblichen graziösen Jugend in ihrem pikanten Kostüm und der naiven Kinderwelt ist die geistreich skizzenhafte Behandlung des Pastells geeigneter als die mühsame, den Schein voller Naturwahrheit anstrebende Öltechnik. Den feinen dekorativen Ton hat Piglhein namentlich in der leichtgeschürzten Eleganz und Grazie getroffen, die als »Diva auf dem Sofa« oder als »Atelier-Visite« und in ähnlichen Situationen erschien. Seine Winke und praktischen Demonstrationen über Pastell sind in dem lehrreichen Büchlein von K. RAUPP*) verwertet. Die bunten, teils mit sicheren, rapiden Strichen keck hingeworfenen, teils in zarten, duftigen Tönen hingehauchten Momentbilder erwecken den Eindruck eines mühelos leichten Schaffens und reden in ihrer brillanten, einschmeichelnden Technik die Sprache des französischen Kunstesprits. Aus den zu einem stattlichen Album**) gesammelten Nachbildungen von 20 Pastellen ist die scharfe Beobachtung und sichere Charakteristik der einzelnen Typen gut ersichtlich. Es find meist Töchter des Augenblicks, des Übermuts und der frohen Laune, auf lichtfarbenem Grund lebendig und wahr geschildert. Schmetterling und Maske dienen dem Werk als charakteristisches Motto. Als solche den anlockenden Reiz des modernen Chic und im Lüstre der Pastellfarben sprühenden leichtlebigen Wesen sind Piglhein’s Pierretten, andalusische Tänze­rinnen, Balldamen mit riesigem Fächer, Masken, weibliche Jockeys, Pschüts u. a. bald überall in Schaufenstern, auf Ausstellungen und in Salons bekannt geworden und haben zu zahlreicher Nachfolge angeregt. Auch der Humor fand seine Vertreter in dem luftigen, rauchenden Nigger und in jungen Modenarren. Wie ein ernster Ton im Capriccio dieser Lebewelt spricht der von weißem Schleier umrahmte Idealkopf einer „Béatrice“ an.

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*) Vgl. Katechismus der Malerei von K. RAUPP. Leipzig. T. T. WEBER.

1891. S. 75-86.

**) Vgl. BRDNO PIGLHEIN. Pastells. München, 1884. F. A. ACKERMANN’s Kunstverlag. (20 Lichtdrucke in mehreren Ausgaben.)

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Der vornehmen Gesellschaft galt Piglhein fortan als der berufenste Interpret anmutiger Frauen- und Kinderköpfe. Zweimal hat er das Bildnis der Prinzessin Elvira von Bayern in glanzvollem Zauber ihrer Jugend geschaffen. Feinfühlig belauschte Piglhein vor Allem den Liebreiz krausköpfiger Kinder*) mit ihren großen Murillo’schen Augen. Sein nacktes Herzblättchen, des Löwen Erwachen, Kinder mit Möpschen oder Kätzchen, die Köpfe von Baptiste und Petit Blondin, der kleine Johannes der Täufer, Polichinel, Modellpause, Baby und Bob, all die lachenden und weinenden kleinen Schelme, dazu das Münchener Kindl und die Kinderporträts befreundeter und vornehmer Familien in Pastell oder in Öl ausgeführt, sie beweisen insgesamt, mit welcher Liebe und Herzlichkeit Piglhein in die selige Wunderwelt der Kleinen sich eingelebt hat. Wo die Negerin als Wärterin oder der große Hund als Spielgefährte sich dem Kinde gesellt, ist mit feinem Akzent die Komik des Gegensatzes betont. Populären Erfolg hatte die drollige „reizende Idylle“**), das kleine nackte Kind mit dem großen Jagdhund in Rückenansicht, die friedlich an­einander geschmiegt auf dem Ufersteg sitzen, wie ein paar genügsame Philosophen, die die Welt erobert haben. Zuerst als kleines Ölbild für Herrn SCHÖN in Worms gemalt, wiederholte Piglhein die kleine Idylle in Pastell für die Königin von Württemberg und entwarf als Gegenstück die nicht minder gelungene Vorderansicht beider Gesellen. Ähnliche DarsteIlungen aus dem Leben der Kinder und Haustiere, wie der »Weihnachtsmorgen« und »das unter Jagdhunden eingeschlafene Kind« u. a., illustrieren des Weiteren ihr Freundschaftsverhältnis.

Während eines längeren Aufenthaltes in seiner Vaterstadt malte Piglhein die Raubtiere einer Menagerie, besonders Löwen und Tiger.

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*) Vgl. die Lichtdrucke in BR. PIGLHEINS Pastells, München 1884. F. A. ACKERMANN’ s Kunstverlag.

**) Vgl. die Federzeichnung in den Künstlerlaunen mit dem Gedicht „Treue Freundschaft“ von M. v. OLFERS.

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Diesen ausgezeichneten Proben seines eindringenden Naturstudiums und Charakteristik steht eine Reihe interessanter Volkstypen zur Seite, die er bei Anwesenheit einer Nubiertruppe in München malte.

Eine umfassende, seiner vielseitigen und schöpferischen Kraft würdige Aufgabe übernahm Piglhein im Jahre 1885 mit dem Auftrag, die Kreuzigung Christi und Jerusalem zum Thema eines großen Panorama-Gemäldes zu machen. Das Schmerzenskind des Künstlers, sein "Moritur in Deo“, hatte dem Leiter des Unternehmens, Jos. HALDER, die Idee dazu eingegeben. Es galt, die erhabene Tragödie als einen geschichtlichen Vorgang im Rahmen des alten Jerusalem und seiner Umgebung anschaulich zu machen. Piglhein ließ sich durch die großen Schwierigkeiten des Auftrages nicht abschrecken und ging, wiewohl ein ähnlicher Versuch des belgischen Malers DEVRIENDT gescheitert war, mit einigen Hilfskräften mutig ans Werk. In Begleitung des Landschaftsmalers Jos. KRIEGER, des Architekturmalers K. FROSCH und seiner eigenen Gattin unternahm er auf mehrere Monate eine Reise nach Palästina, um durch gründ­liche Vorstudien den Schauplatz des Dramas, die Natur und Boden­gliederung, den Charakter von Land und Leuten kennen zu lernen. Geschichtlich archäologische Forschungen und Architekturstudien behufs Rekonstruktion des alten Jerusalem gingen unter Beistand berufener Gelehrten und Architekten voraus. Photographische Aufnahmen an Ort und Stelle gewährten für die Aus­führung eine ergiebige Hilfsquelle. Unterstützt von den genannten Künstlern, von dem Landschaftsmaler A. HEINE und von seinem Schüler Jos. BLOCK, hat Piglhein die Riesenarbeit auf einer Leinwand von 14 m Höhe und 120 m in der Runde (= 1700 qm) innerhalb eines Zeitraums von neun Monaten bewältigt. Am 30. Mai 1886 wurde das Panorama*) feierlich eröffnet. Man stand einem einheitlichen Meisterwerke von künstlerischer Originalität und gran­dioser Wirkung gegenüber.

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*) Vgl. BRUNO PlGLHEIN’S Panorama: Jerusalem und die Kreuzigung Christi in zehn direkt nach dem Rundgemälde aufgenommenen Photographien (Kab.-Format). Erläutert von Dr. LUDWIG TROST. Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt. - Autorisierte (größere) Holzschnittausgabe von Dr. LUDWIG TROST. Ebenda. Der Verfasser der Erläuterungen schildert auch die Eindrücke und Erlebnisse der Reisegefährten. - Führer durch das Panorama der Kreuzigung Christi von MAXIMIUAN VINCENZ SATTLER, München 1886. Universitätsbuchdruckerei von Dr. C. WOLF & SOHN, München.

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Die ethnographische und landschaftliche Schilderung Jerusalems, deren geistiger Mittelpunkt die ergreifende Kreuzigungsszene auf dem Golgathahügel bildet, umfasste auch das lebendige Treiben der Bevölkerung am Vorabende des jüdischen Osterfestes. Dem tragischen Grundmotiv entsprach die durch die eingetretene Sonnenfinsternis gedämpfte Stimmung von Licht und Luft. Mit allen Mitteln der sinnlich täuschenden Wirkung wurde dem Beschauer von der Szenerie des welterschütternden Ereignisses ein überzeugendes und ergreifendes Gesamtbild vor Augen geführt. Der Entwurf des Panoramas in seiner vollständigen Komposition war PIGLHEINS eigenste Erfindung, auch die meister­hafte Ausführung des ganzen figürlichen Teils seine Leistung. JOS. KRIEGER, A. HEINE und JOS. BLOCK malten nach Anweisung des Erfinders die Landschaft, das Firmament und die Beleuchtung. Die Aufgabe der perspektivischen Konstruktion und die Dar­stellung der von Piglhein’s rekonstruierten Stadt Jerusalem übernahm der Maler K. FROSCH. Trotz der Verschiedenheit im Zusammenwirken der Hilfskräfte und ungeachtet der zahlreichen, auf die Haupt­handlung bezüglichen und von ihr unabhängigen Episoden war doch in der Beherrschung der Massen und der Details ein durch­aus einheitlicher Zug und im Reichtum der stimmungsvollen und belebten, durch Olivenhaine und Berge begrenzten Landschaft eine geschlossen malerische Haltung wahrzunehmen. Piglhein bewies in der selbständigen Lösung seiner Aufgabe ein ganz hervorragendes Wissen und Können, das im Dienste seiner reichbegabten Phantasie eine ernste und weihevolle Wirkung erzielte. In München, Berlin und Wien haben Tausende an Piglhein’s unvergesslichem Meisterwerke sich erbaut. Im April 1892 wurde das kostbare Rundgemälde, dessen Entwurf nur noch erhalten ist, in Wien durch Brand zer­stört. Dieses tragische Geschick und die unbefugte Wiederholung und Verwertung seiner Erfindung durch K. FROSCH haben Piglhein schweres Leid verursacht.

Im Anschluss an sein »Moritur in Deo« und an das große Panorama malte Piglhein noch einen sterbenden „Christus“, eine Maria unter dem Kreuze, (1887) und „Die Grablegung Christi“ in einsamer Felsenschlucht« (1888). Eigentum der Königlichen Neuen Pinakothek in München. Von Piglheins Madonnen ist das im Jahre 1884 entstandene Bild und die auf Wolken thronende Maria mit dem von Engeln als leuchtender »Stern von Bethlehem« umschwebten Kinde als reinste Schöpfung hervorzuheben. - Eines der eindrucksvollsten Bilder war ferner »Die Blinde mit dem Wasserkrug« (1890),*) die bei Sonnenuntergang haltend mit dem Stabe über ein blühendes Mohnfeld schreitet. Dieses namentlich im Kolorit meisterliche, dichterisch empfundene Gemälde trug seinem Schöpfer die große goldene Medaille in Berlin ein. Eine Amerikanerin wurde Eigentümerin des Bildes. Den schönen farbigen Entwurf erwarb die Königliche Neue Pinakothek in München.

Die letzten Jahre seiner künstlerischen Wirksamkeit haben noch eine reiche Ernte gezeitigt. Die »Nymphe im Grünen nach einem Schmetterling haschend« entzückte durch außer­ordentliche Feinheit in der Ausführung. - In Wiesbaden malte er für den Plafond eines Privathauses den »Einzug des Frühlings mit jubelnder Kinderschar«. »Ein kosendes Liebespaar an der Quelle« und die »Frühlingsidylle«, (1891) atmen die ganze Wonne und Poesie glückseliger Stunden. - Die in leuchtendem Fleischton gemalte »Ägyptische Schwerttänzerin« (1891) und die weibliche Rückenfigur »Im Atelier« (1890) sind Meisterwerke zarter Modellierung und lichter Färbung. - Im Hause seines Gönners, des Geh. Kommerzienrates Friedrich Alfried KRUPP in Essen, malte Piglhein die Gemahlin des Herrn und deren Kinder. Zur Huldigungsfeier am 70. Geburtstag des PRINZREGENTEN VON BAYERN spendete Piglhein eine dekorativ gehaltene »Bavaria« in Begleitung des Bayerischen Löwen und des Münchener Kindl. - Von Skizzen und Entwürfen aus der letzten Zeit sind zu erwähnen: »Die Flucht nach Ägypten«, »Die Versuchung des heiligen Antonius« und die melancholische Skizze des erdolchten Pierrot im Schneegestöber. Als letzte Arbeit des Künstlers gilt der „Spaziergang zweier Damen am Bergeshang“.

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*) Aquarell-Gravüre, FRANZ HANFSTÄNGL’s Kunstver1ag, München.

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Als produktiver Künstler von ungewöhnlicher Bildung und klarem Urteil nahm PIGLHEIN in den Münchener Künstlerkreisen eine namhafte Stellung ein. Sein Lehrtalent in technischen Dingen hat begabten Schülern zum größten Segen gereicht. Ohne selbst den launenhaften Wandlungen in der Tagesströmung der Kunst zu folgen, trat er doch im Prinzip energisch und fest für die fortschreitende Bewegung der Kunst ein. Als die Spaltung in der Münchener Künstlerschaft sich vollzog, schloss Piglhein sich der Sezession an und vertrat als Führer ihre Interessen, solange ein schweres Herzleiden ihm noch die Kraft dazu ließ. Zu Anfang des Jahres 1894 hielt sich Piglhein zum Gebrauch einer Kur in Berlin auf, sah noch einmal seine Vaterstadt und Ver­wandten und kehrte krank nach München zurück, wo er nach langen, schmerzlichen Leiden am Sonntag den 15. Juli im Alter von 46 Jahren entschlafen ist. Der Heimgang des warmfühlenden Menschen, des hochbegabten und echten Künstlers ist allgemein und tief betrauert. Ehre seinem Gedächtnis!


Bildnis des Künstlers. Photographie von Jos. BLOCK


Der Künstler auf dem Totenbett. Zeichnung von H. BUSCHBECK. 15. Juli 1894


1. Selbstbildnis des Künstlers. Öl. 1874. - Eigentum des Herrn Pastor prim. Gramberg, Jever.

2. Die Mutter des Künstlers. Brustbildnis. Kohle weiß gehöht. - Eigentum des Herrn Hugo Nowock, Hamburg.

3. Männliches Bildnis. Kniestück. Öl.

4. Bacchanal. Öl. Entwurf.

5. Holländerin. Kniestück. Öl. - Eigentum der Ständigen Ausstellung für Kunst und Kunstgewerbe in Weimar.

6. Familienglück. Öl. Entwurf. - Eigentum des Herrn Loudovicus Piglhein, Hamburg.

7. Familienglück Öl. - 1875. - Eigentum des Herrn H. Freiherrn von Ohlendorff, Hamburg.

8. Centauren im Meer. Öl. - Eigentum des Herrn Professor G. Papperitz, München.

9. Centaurenpaar am Meeresstrand. Öl.

10. Löwenstudie. Öl.

11. Löwenkopf. Ölstudie.

12. Tigerstudie. Öl.

13. Tigerkopf. Ölstudie.

13a. Gute Beute. Federzeichnung. - Eigentum des Herrn B. Burchardt, Berlin.

14. Nubier mit Schild und Lanze. Öl.

15. Nubier "Abdallah" mit Schild und Speer. Öl.

16. Nubier mit Orang-Utang. Öl.

17. Nubierin. Öl. Unvollendet.

18. Nubier am Meer mit Harfe. Öl.

19. Neger mit Kakadu. Pastell. ­Eigentum des Herrn Loudovicus Piglhein, Hamburg.

20. Orientalin mit Wasserkrug. Pastell.

21. Rauchender Neger. Brustbild. Paftell.

22. Abessinier mit Schimpanse. Pastell. - Eigentum des Herrn Hugo Nowock, Hamburg.

23. Moritur in Deo. Öl. 1879. - KgL National-Galerie.

24. Christus am Kreuz. Studie zum Bilde "Moritur in Deo". Kreide. Weiß gehöht.

25. Christus am Kreuz. Brustbild. Pastell.

26. Am Strand. Öl. 1880. -- Eigentum des Herrn Loudovicus Piglhein, Hamburg.

27. Stillleben. Öl, - Eigentum des Herrn Hugo Nowock, Hamburg.

28. Dame mit Rose Öl. - Privateigentum.

29. Junges Mädchen im Atelier. Öl. .

30. Dame mit gelbem Hut. Brustbildnis. Pastell.

31. Porträt einer Dame mit Überwurf. Kniestück nach rechts. Pastell. Privateigentum.

32. Weiblicher Kopf nach rechts. Kreide.

33. Weibliches Porträt. Brustbild mit Goldreif im Haar. Pastell.

34. Weibliches Porträt. Brustbild mit Kragen. Pastell.

35. Dame mit Hut. Brustbild nach rechts. Pastell.

36. Weibliche Phantasiefigur, Blätter aus einer Mappe schleu­dernd. Pastell. - Eigentum der Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, Fr. Bruckmann, München.

36a. Pschüt. Pastell. - Eigentum des Herrn Rechtsanwalt Paul Michaelis, Berlin.

36b. Sport. Pastell. -- Eigentum des Herrn Rechtsanwalt Paul Michaelis, Berlin.

37. Pierrette mit gelbem Hut. Pastellskizze.

37a. Männliches Bildnis. Pastell. - Eigentum der Kunsthandlung von L. Bock u. Sohn, Hamburg.

38. Knabe mit Hunden. Öl. - Eigentum des Herrn Loudovicus Piglhein, Hamburg.

39. Kind und Mohrenbaby. Öl. - Eigentum des Herrn Banquier Wilhelm Kopetzky, Berlin.

40. Weinendes Kind mit Löffel. Öl auf Holz. – Eigentum des Herrn Hugo Nowock. Hamburg.

41. Mein Kätzchen. Pastell. - Eigentum des Herrn Banquier Wilhelm Kopetzky, Berlin.

42. Schlafendes Kind mit Hund. Öl. Entwurf. – Eigentum des Herrn Hugo Nowock, Hamburg.

43. Weihnachtsmorgen. Knabe mit Hund und Spielsachen im Bett. Öl. - Eigentum des Herrn Hermann Seiffert, Hamburg.

44. Junge mit roter Mütze. Pastell.

45. Kind im roten Mantel. Pastell.

46. Kinderporträt. Brustbild. Pastell.

47. Junge mit Wasserkrug. Pastell.

48. Kinderkopf vorgebeugt. Kreide weiß gehöht.

49. Liegender weiblicher Akt im Grünen. Pastell.

50. Echo. Pastell.

51. Angler. Öl.

52. Jerusalem und die Kreuzigung Christi. Skizze zum Panorama­ Gemälde. Öl. 1885.

53. Kreuzabnahme. Öl. Entwurf. 1886.

54. Die Blinde. Öl. Entwurf. 1889. - Eigentum der Kgl. Neuen Pinakothek, München.

55. Stern von Bethlehem. Pastell. 1889.

56. Stern von Bethlehem. Öl. 1889. - Eigentum der Kunsthandlung des Herrn Eduard Schulte, Rerlin.

57. Glaube. Öl. 1890. - Eigentum des Herrn Pastor prim. Gramberg, Jever.

58. Im Atelier. Weiblicher Akt. Rückenansicht. Pastell. 1890

59. Liebespaar. Öl. Entwurf. 1890.

60. Ägyptische Schwerttänzerin. Öl. 1891.

61. Münchener Kindl. Öl. - Eigentum des Herrn Geh. Kommerzienrats F. A. Krupp, Essen.

62. Kinder-Porträts. Öl. 1891. - Eigentum des Herrn Geh. Kommerzienrats F. A. Krupp, Essen.

63. Englische Dogge. Öl. 1891. - Eigentum des Herrn Geh. Kommerzienrats F. A. Krupp, Essen.

64. Damenbildnis. Kniestück. Pastell. - Eigentum des Herrn Bank-Direktors Gustav Hartmann, Berlin.

65. Damenbildnis. Pastell. - Eigentum des Herrn Dr. Julius Elias, Berlin­

66. Knabe mit Fischen. Pastell. - Eigentum des Herrn Dr. Julius Elias, Berlin.

67. Flucht nach Ägypten. Öl-Entwurf.

68. Auf der Flucht. Ölskizze.

69. Madonna Bavaria. Öl. Entwurf. 1891.

70. Der heilige Antonius. Öl. Entwurf. 1891.

71. Toter Pierrot. Öl. Entwurf.

72. Gruß aus München. Münchener Kindl. Öl. 1893. ­Eigentum des Herrn Hugo Nowock, Hamburg.

73. Mädchen mit Laterne. Öl. -- Eigentum des Herrn Loudovicus Piglhein, Hamburg.

74. Singende Mädchen am Abhang. Öl. Entwurf. 1893.

75. Männliches Bildnis. Kniestück. Öl. Unvollendet. 1893.­ Eigentum des Herrn Piglhein, Hamburg.

76. Jerusalem und die Kreuzigung Christi. Holzschnitt. Aus­gabe nach BRUNO PIGLHEINS Panorama. Stuttgart und Leipzig. Deutsche Verlags-Anstalt. (1879.)

77-79. Treue Freundschaft. - Gute Beute. - Centauren­kampf. Aus dem Werk "Künstlerlaunen". München. Fr. Bassermanns Verlag.

 

80-94. Lichtdrucke nach BRUNO PIGLHEINS Pastells. München. F. A. Ackermann (1883-1884): Petit Blondin. EventaiL Profil. Beatrice. Gazette. Sport. Entr’act. Baptiste. Petit Chien. Pschut. Danseuse Espagnole. Pierrette.­ Idyll. Eine Frage. Der kl. Johannes d. Täufer

95. Die Blinde. Aquarell-Gravüre. München. Franz Hanf­stängl's Kunstverlag. (1890.)

96-105. Photographien nach Pastells und Gemälden von BRUNO PIGLHEIN

96. Rassenhass. 1883.

97. Diva. 1884.

98. Baby und Bob. 1884.

99. Madonna. 1884.

100. Grablegung Christi. 1889.

101. Der Einzug des Frühlings. Nach einem Plafondgemälde. 1889.

102. Nymphe. 1889,

103. Stern von Bethlehem. 1889.

104. Ägyptische Schwerttänzerin. 1891.

105. Frühlingsidylle. 1892.

 

 

Die gefällige Darleihung der Teppiche und Vorhänge ist der

Firma HERRMANN GERSON

hier zu verdanken.

 

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