Erinnerungen an Maler und Malschulen im alten München

aus Münchner Neueste Nachrichten vom 14.Januar 1940

Bericht von Friedrich Ahlers-Hestermann

 

n    - - Habermann freundete sich mit Bruno Piglhein an, der auch zu Herbsts Bekanntenkreis gehörte, und sie gründeten eine (bald wieder eingehende) Malschule zusammen mit Fritz von Uhde, der noch vor vier Jahren Rittmeister bei den sächsischen Gardereitern gewesen war. - - -

 

- - - Hier möchte ich jenes anderen Hamburger Malers gedenken, der in München lebte und Herbst damals tief in den Schatten stellte: Bruno Piglhein. Er war in demselben Jahr wie Herbst geboren, hatte eine ähnliche Ausbildung - zum Teil auch in Weimar, ab 1870 bei Wilhelm von Diez - durchlaufen, war ein Jahr nach Herbst in Paris, wo er ungefähr dieselben Bilder und dieselben Menschen gesehen hatte oder doch hätte sehen können. Seine Begabung war so glänzend wie seine Erscheinung. Hans Spekter, der dritte Hamburger Altersgenosse, diese reine, begeisterungsfähige, tiefernste Seele schreibt seiner Mutter, Talente gäbe es viele, viele, aber das Genie sei äußerst selten nun, Piglhein sei ein Genie! Er war für die Jugend eine Art Gott, der ungewöhnliche Verehrung genoss und an diplomatischer Klugheit selbst Lenbach gewachsen. So wurde er auch der erste Präsident der Münchner Sezession, kurz bevor er, schon 1894, starb. Sein Lebenswerk zeigt den Niederschlag der flackernden, unsicher gewordenen Zeit: er probierte es im Sinne Makarts (dekorative Malereien im Hause Ohlendorff, Hamburg 1875) und später mit Böcklin’schen Motiven. Er hatte mit einem albernniedlichen Genrebild einen großen Publikumserfolg. Unter dem Eindruck Munkácfys entstand dann ein riesiger, düsterer Christus am Kreuz vom Todesengel geküsst (Moritur in Deo). Man kann sich eines seelischen Unbehagens nicht erwehren, wenn man den Wortblütenregen vernimmt, der über fast gleichzeitig von ihm gemalte Bilder niedergeht: Anlockender Reiz des modernen Chic . . .  im Lustre der Pastellfarben sprühende, leichtlebige Wesen . . . Sprache des französischen Kunstesprits . . . Capriccio der Lebewelt . . . „Diva auf dem Sofa“, „Ateliervisite“, „Pschütts“, „Weibliche Jockeys“ . . . und dazwischen ein schleierumrahmter Idealkopf der Beatrice! Ihn, Piglhein, hat im Gegensatz zu Herbst die Stunde der Entscheidung, von der ich oben sprach, immer schwach gefunden, und er hat keiner Versuchung, keiner Lockung der Zeit widerstehen können. - - - -.