Bruno Piglhein

Von

Heinrich Rittberg

aus

Velhagen & Klasings Monatshefte. XII. Jahrg. 1897/98  I. Bd.

 

 

Als Bruno Piglhein im Jahre 1894 die Augen schloss, hatte wohl jeder, der für die Kunst ein Herz hatte in Deutschland, das Gefühl, dass da ein großer Künstler gestorben sei, und gedachte des Heimgegangenen in Trauer. Und wenn er sich dann des näheren besann, warum Piglhein ein großer Künstler war, und was er alles geschaffen, dann ward so mancher mit Staunen inne, dass er eigentlich nicht recht viel aufzuzählen wusste.

            Piglhein ist ein großer, reichbegabter Künstler gewesen, der nie das Glück hatte, sich auszuleben, der nie vor die großen Aufgaben gestellt wurde, denen er gewachsen war; er ist zu früh gestorben. Nicht nur zu früh, als dass er sich zur voller Höhe hätte erheben können, er starb sogar zu früh, als dass er sich hätte der Welt auf der Höhe zeigen können, auf der er schon stand. Ein seltsam trauriges Geschick! Traurig, wie jedem aus dem eben Gesagten klar sein wird, und seltsam, weil es das Geschick eines Menschen ist, dessen Leben im Äußeren so ruhig und glatt und behäbig dahinfloss, wie nur irgend eines. Er war keiner von den Künstlern, denen die Not ums Brot die freie Entfaltung ihres Wesens hemmt, im Gegenteil! Er hat dem Überfluss immer näher gestanden, als dem Mangel. Er war nicht missachtet, nicht verkannt - im Gegenteil! Sein Name prangte längst in der ersten Reihe unter den Sternen der Münchener Künstlerschaft. Und doch ein Pechvogel - wenn dies Wort nicht zu skurril klingt für die stille Tragik dieser Künstlerlaufbahn!

            Einem weiteren Kreise ist Bruno Piglhein durch eine stattliche Reihe von Staffeleibildern und vier oder fünf größere Werke bekannt. Seine größte und großartigste Arbeit, die einzige vielleicht, die ihm jemals Gelegenheit gab, aus dem Vollen zu schaffen, wie er es erstrebte, das Panorama der „Kreuzigung Christi“ zerstörten in Wien im Jahre 1892 die Flammen. Dies Werk gibt kein Zeugnis mehr von seiner Kunst. Und außerdem hat Piglhein das nie erlangen können, was er so heiß ersehnt: die Gelegenheit, sein wahres Talent, das für dekorative Malerei im höheren Sinne, zu betätigen. Jedes seiner Staffelbilder zeigt ihn als Meister, - aber in wenigen von ihnen steckt der ganze Mensch Piglhein, die ganze Kraft dieser Natur. In vielen davon feierte nur die manuelle Geschicklichkeit des Künstlers ihre Triumphe; in anderen spürt man es wie ein Drängen nach breiterem Raum, nach größerem Stil. Intim ist er nie: selbst seine Bildnisse haben fast immer etwas Dekoratives, so gut und ähnlich sie sind, so liebenswürdig er sie erfasste. Im Cinquecento hätte eine solche natur, wie Piglheins, durchdringen müssen, seine Zeit aber brachte ihn nicht zur letzten Reife und ließ ihn selten volle Freude an seinem Schaffen empfinden.

            Seine Lebensgeschichte ist, was äußerlich Daten angeht, in wenigen Zeilen erzählt. Piglhein wurde am 19. Februar 1848 zu Hamburg geboren und erhielt die Namen Elimar Ulrich Bruno. Sein Vater besaß ein Dekorationsgeschäft größeren Stils. Sein Beruf zur Kunst zeigte sich bald - welchem Zweige der Kunst er sich zuwenden solle, offenbarte sich erst später. Zuerst lernte er in seiner Vaterstadt bei dem Bildhauer Lippert, nach dessen frühzeitigem Tode (1864) ging er auf die Dresdener Akademie über. Hier wäre ihm beinahe die Ehre zu teil geworden, die Hans Makart zu Wien erfuhr: man wollte ihn wegen „Talentlosigkeit“ fortschicken. Da nahm sich Schilling seiner an und öffnete ihm sein Atelier. Er führte da mehrere Arbeiten darunter eine „Brunnenfigur“ aus. In Italien, wohin ihn der Trieb zog, der jeden jungen deutschen Künstler führt, wurde er zum Maler. Zurückgekehrt besuchte er unter Pauwels die Kunstschule zu Weimar und ging dann (1870) zu Diez nach München. Hier entstand für Hamburger Privatbesitz das Gemälde „Familienglück“ und ein Deckengemälde. Besondere Erfolge wurden aber dem aufstrebenden Maler noch nicht zu Teil. Er hatte wohl auch seine Handschrift noch nicht gefunden. Ein Aufenthalt in Paris war ihm offenbar von großem Nutzen. Hier lernte Piglhein jedenfalls jene große Sicherheit und Freiheit des künstlerischen Ausdrucks, jene Brillanz der Technik gewinnen, die ihn später auszeichneten. In den Gegenständen seiner Kunst offenbart sich indessen der Pariser Einfluss noch nicht so bald.

            Im Jahre 1879 brachte er auf die Münchener Ausstellung sein Bild „Moritur in Deo“, einen sterbenden Christus, dem der hinter dem Kreuze aufsteigende Todesengel das Leben von der Stirn küsst. Vielleicht - nein, gewiss! - war das Bild, das alsbald einen lebhaften Streit der Meinungen hervorrief, Piglheins größte künstlerische Tat. Ein hoher künstlerischer Ernst, eine kolossale Wucht und eine nicht minder starke Beherrschung der Form sprachen aus diesem Werke, für das unser deutsches Publikum freilich erst anderthalb Decennien später reif wurde. Dieser Bruch mit dem Konventionellen erschien als unbegreifliche Kühnheit, und die Kunstbonzen zeterten in allen Tonarten dagegen. Heute hat man jedem Künstler das recht eingeräumt, originell zu sein, - damals warfen sie jeden, der es wagte, mit Steinen.

            Der Künstler litt schwer unter diesem Misserfolg, aber er verzweifelte nicht, wenn auch manche Stunde schwerer Depression über ihn kam. Vielleicht aus einer Stimmung solcher Stunde heraus ist ein anderes bild entstanden, daß ihn als Maler, wie als Poeten auf ganz besonderer Höhe zeigt: ein Centaurenpaar hält sich am Meeresstrand innig umschlungen und sieht der untergehenden Sonne nach, den herandrängenden Wogen entgegen. Das Bild ist düster bis zum Unheimlichen und dabei merkwürdig groß erfasst. Wie da die eine Naturkraft im Ansehen der anderen erschauert, wie da alles Leben der Erde in einem gewaltigen Accord zusammentönt! Auch dieses Bild gab den Philistern mehr zu spötteln und zu kritteln, als zu bewundern. Damals lachten sie ja auch noch einen Böcklin mit seinen Centauren aus. Also einen Erfolg brachte dieses Bild auch nicht, obwohl es neben der Kreuzigung vielleicht sein Bestes war. Auf einem ganz anderen Wege hat er sich das breite Publikum erobern müssen, und ich habe ihn wohl in Verdacht, daß er hin und wieder den bitteren Vierzeiler Heinrich Heines auf den Lippen hatte, der anhebt:

            „Selten habt ihr mich verstanden -“

            Mit einem Schlage wurde Piglhein in ganz Deutschland bekannt, als seine malerisch und gegenständlich so pikanten Pastelle herauskamen, die in unglaublich kurzer Zeit entstanden und mit einem Raffinement der Technik, mit einem Duft und einer koloristischen Meisterschaft gemalt, mit so geistreicher Sicherheit und so frivolem Humor gezeichnet waren, dass sie in Bälde in aller Munde waren. Diesen verspäteten Blüten von Piglheins Pariser Aufenthalt gegenüber zeigte der deutsche Philister auf einmal volles Verständnis; er tat sogar, was er sonst nicht gern tut, er kaufte. Piglhein fing an zu verdienen, man sprach von seinen Pastellen, sie machten Schule - ganz München fing auf einmal an, mit farbigen Stiften zu zeichnen, einem Material, das man seit den Zeiten des Rokoko nicht mehr verwendet hatte. Piglheins Pastelle waren freilich auch als Kunstwerke bewundernswert. Die sichere, schneidige Zeichnung, die Plastik und Lebendigkeit der Köpfe verrieten den ehemaligen Bildhauer; der Farbenglanz dieser Bilder war in seiner Frische und Eleganz für Deutschland geradezu eine Offenbarung. Aber vielleicht hat das alles nicht so sehr ihren Erfolg gemacht, wie das Halbweltparfüm, das sie ausatmeten. Die großen dunklen Augen dieser Pieretten und Kokotten mit pariserischem, deutschem und südlichem Gesichtsschnitt erzählten so pikante Geschichten, auf diesen üppigen Lippen und der fesselnden Mobidezza dieser Wangen lag es wie ein feiner Reif, eine Ahnung von jener sündhaften Grazie und jenem Reiz des Verbotenen, von lauter Dingen, von denen sich zu Zeiten der Spießbürger im sicheren Port seiner Sofaecke so gerne mit sanftem Gruseln erzählen läßt. Piglhein war seiner ganzen Natur nach viel mehr zu einem behaglichen Familienleben, zu ganz normaler und tugendhafter Behäbigkeit angelegt, aber alle seine Pastelle aus jener Zeit tragen ein wenig die Marke des Grisettentums. Sogar die entzückenden Kindergesichter, sogar die Hundebilder, die er malte. Und wie den Sänger Tannhäuser auf dem Wege nach Rom selbst die Erinnerung an den Hörselberg immer wieder packt, so hat der Spaß an diesen kleinen Teufeleien den Maler später auch während der Ausführung seiner ernstesten Werke hin und wieder fortgerissen, und wer ihn besuchte, fand sicher in irgend einem Atelierwinkel ein Pierrettchen in Pastell oder sonst was Unheiliges. Es mag übrigens sehr wohl sein, dass gerade ein solches zeitweiliges Abschwenken nach ganz heterogenen Dingen einen Künstler frisch erhält und davor bewahrt, monoton oder akademisch zu werden.

            Zunächst wurde Bruno Piglhein von dem gefährlichen Berg, den er mit seinen Pastellen betreten hatte, weggezogen durch den Auftrag, für die Panoramagesellschaft Halder & Cie. Ein riesiges Rundgemälde von Jerusalem und der Kreuzigung Christi zu malen. Er, der sich immer schon als „alten Nazarener“ bekannt und die große, tiefe Poesie der christlichen Überlieferungen stets mit ungeheuchelter Andacht empfunden hatte, nahm den Auftrag mit Freuden an. Fand er doch dabei auch endlich Gelegenheit, sich auf großer Leinwand (15 Meter Höhe und 120 Meter in der Runde) auszutoben. Nicht minder reizvoll waren für ihn die Vorarbeiten in Palästina, wohin er mit seinen Helfern, dem Landschaftsmaler Krieger und dem Architekturmaler Frosch, reiste. Die Studienreise nahm ein Vierteljahr in Anspruch, ein volles Jahr die Arbeit an dem Rundgemälde selbst. Die ganze gewaltige Komposition und Rekonstruktion zu diesem Rundbild, dessen Hauptgruppe die Leser der „Monatshefte“ im Holzschnitt zw. S. 424 u. 425 beigegeben finden, stammt von Piglheins Hand. Zur Ausführung des landschaftlichen, sowie perspektivisch verwickelten Teiles brauchte er natürlich Gehilfen, wie jeder Panoramamaler sie braucht. Denn es ist ja physisch schon unmöglich, in der Frist, die zu solchem Werke meist gestellt ist, eine Fläche von 1800 Quadratmeter „vollzumalen“. Piglhein hatte aber, nicht zum wenigsten der Noblesse wegen, mit welcher er die Mitarbeit seiner Gehilfen anerkannte, später wegen dieser Mitarbeiterschaft schwer zu leiden. Nicht allein, dass zunächst das Gerücht ausgestreut wurde, er habe nur geringen Teil an dem Gesamtwerk gehabt, er habe nur den figürlichen Teil in den Größenverhältnissen nicht ganz gelungenen Teil gemalt - das heißt etwa soviel, wie wenn man einem Bildhauer vorwerfen würde, dass er die Arbeit des Gipsgießers und des Steinmetzen nicht selbst besorgt. - Piglhein musste es auch erleben, dass sein Gehilfe Karl Frosch nicht weniger als neun in der Komposition sehr verwandte Kreuzigungspanoramen für Amerika und England malte und dabei viel glänzendere Geschäfte machte, als Piglhein selbst, der das Werk gestaltet hatte.

            Im Jahre 1886 wurde das Werk enthüllt, und der Erfolg war beispiellos - bei den Frommen, die ein künstlerisch selbständiges und originales Werk religiöser Malerei nicht immer gleich richtig würdigten, wie bei denen, welche einfach das Werk selbst auf sich wirken ließen mit seiner fabelhaft ergreifenden Sonnenfinsternisstimmung und der düsteren pittoresken Öde seiner Landschaft mit seinen von jeder Konvention freien, packenden und naturwahren Figurengruppen.

            Das Werk hat nur sechs Jahre gelebt. Im Jahre 1892 verbrannte es im Panoramagebäude zu Wien, wo es gleichfalls die Menge mächtig ergriffen hatte. Piglhein hat wie ein Kind geweint, er, der damals schon leidend war und vielleicht schon ahnen mochte, dass er kein so bedeutungsvolles Werk fürder schaffen werde.

            In Künstlerkreisen wusste man schon lange, was Piglhein sei, im Publikum lernte man es jetzt allmählich verstehen. Auch die „maßgebenden Stellen“ wurden auf ihn aufmerksam. Als er auf der dritten Internationalen zu München (1888) seine Grablegung Christi ausstellte, eine Art Nachlese von der Reise ins gelobte Land, erwarb der Staat das Bild, das von großer, edler Auffassung zeugt, aber doch nicht so starkes Temperament erkennen lässt, wie „Moritur in Deo“, für die Pinakothek. Im folgenden Jahre erschien unter dem Titel „Der Stern von Bethlehem“ eine schöne Madonna mit entzückenden Putten, ein Werk voller Liebenswürdigkeit und Anmut, und wieder ein Jahr später brachte er das Bild, das ihn auch im Norden von Deutschland berühmt gemacht hat. „Die Blinde“, die durch ein blühendes Mohnfeld schreitet. Das Bild machte Sensation, brachte dem Künstler aber auch eine Enttäuschung; er hatte auf die erste Medaille gerechnet und erhielt sie nicht. Vielleicht war dieser Entscheid der Jury sogar eine Ehrung: er gehörte schon zu denen, von welchen man das Höchste erwartet, und jenes Bild wies neben der grandiosen Schönheit und Poesie der Erfindung doch auch stark äußerliche Wirkungen auf. Feindschaft der Juroren war’s gewiss nicht, die Piglhein die erhoffte Medaille verweigert, denn er hatte keine Feinde. Aber er litt doch unter der Sache, und als ein Jahr später das Bild in Berlin verkauft wurde und zugleich die erste Medaille erhielt, hatte er daran nicht mehr die volle Freude. Eine in malerischer Beziehung vielleicht höher stehende „Schwerttänzerin“ wurde auf der gleichen Berliner Ausstellung bewundert. Im gleichen Jahre kam auch das schöne Bild „Frühlingsidyll“ heraus, das lange vorher schon unfertig in des Künstlers Atelier gestanden.

            Sonst entstand in den letzten Jahren seines Lebens außer den Porträts der Kruppschen Familie nichts Wesentliches mehr. Wäre er gesund geblieben, er hätte sich wohl jetzt erst zur schönsten Blüte seines Genius entfaltet. Die Malerei nahm in Deutschland damals gewaltigen Aufschwung. Piglhein stellte sich selbst an die Spitze der Jungen, der „Secession“, in München, und seinem Opfermut, seiner Arbeitskraft, der unbegrenzten Achtung, die man ihm allenthalben entgegenbrachte, der unbegrenzten Liebenswürdigkeit und Gerechtigkeit, mit der er jedem begegnete, danken die Münchener Secessionisten nicht wenig von dem, was sie damals gleich im ersten Jahre erreicht haben. Mit Feuereifer trat er für die Interessen der Jungen ein, freute sich an jedem emporsteigenden Talent - und litt doch dabei und hat es Freunden hundertmal geklagt. Wie gern hätte er mitgetan bei dem kühnen Flug der Jungen ins Land der Farbe und des Lichts - einige Entwürfe aus seiner letzten Zeit beweisen es, wie sehr er sich bemühte und wie leicht es ihm geworden wäre, die Errungenschaften der neuen zeit sich anzueignen - aber seine Kraft war gebrochen! Ein schweres Herzleiden zeigte seine ersten Spuren, und mit dem frohen künstlerischen Schaffen war’s vorbei. Wohl hoffte er noch, pflegte seine Gesundheit, mit der er früher ein wenig verschwenderisch umgegangen, machte lästige Kuren durch - aber es war zu spät. Die letzten Monate seines Lebens brachten ihm furchtbaren Leiden - nicht Schmerzen allein, sondern eben auch jene entsetzlichen Beängstigungen, die solche Herzkrankheiten hervorrufen. Ganz München nahm teil an seiner Krankheit, Bayerns Regent suchte ihn auf und sandte ihm Erfrischungen, sein Bewunderer, Geheimrat Krupp, machte ihm die Freude, das Kreuzigungsbild zu erwerben - aber weder die Freundschaft, die ihm ward, noch die sorgende Liebe, die ihn pflegte, hielten das entschwindende Leben auf. Am 15. Juli 1894 erlöste ihn der Tod von dem geduldig ertragenden Qualen.

            An seinem Grabe trauerte wirklich die Münchener Kunst, und der Nachruf, der ihm von seinen Kollegen ward, zeigt von so einmütiger Verehrung, wie sie selten einem zu teil wird. In einer Zeit erbittersten Künstlerstreites, der vielfach auf das Gebiet des Persönlichen überging, stand er an der Spitze der „Umsturzpartei“ ohne Hass und ungehasst. Er war nicht nur ein Mensch, dem man nicht gram sein konnte, er war viel mehr: ein Mensch, den man lieb haben musste. Und weil wir diesen Menschen auch hinter seiner Kunst spüren, deswegen war er ein so großer Künstler. Ich glaube, wenn er noch viel, viel weniger geschaffen hätte, wäre er einer gewesen. So stark und rein war die Künstlernatur in ihm, dass er ein wenig das Wort vom Raffael ohne Hände begreiflich machte. Seine Bedeutung ging über die Bedeutung dessen, was er geschaffen, hinaus, weil sein Wille und seine Eigenart so stark und schön waren.

            Wer ihn ganz kennen lernen wollte, musste hören, wie er über andere sprach. Wie milde und nachfühlend war sein Urteil, wie freudig und uneingeschränkt konnte er loben, wie bescheiden tadeln! Auch für den Stümper hatte er wenigstens einen wohlwollenden Scherz. Es hätte sich kein besserer Leiter einer Kunstschule denken lassen, als Piglhein. Übrigens hatte er kurze Zeit eine Malschule geführt - einer seiner bekanntesten Schüler ist Josef Block - und die bei ihm lernten, konnten ihn nicht ganz genug rühmen. Aber das Lehramt hielt ihn wohl zu viel von eigenen Arbeiten ab, und so gab er die Schule bald wieder auf.

            Als nach des Meisters Tode sein Nachlass zusammengestellt wurde, war es für seine Freunde eine wehmütige Freude, durch seine Atelierräume zu wandeln. Wieviel hatte er noch zu sagen, wie viele angefangene Werke waren da, die nur etlicher glücklicher Stunden der Inspiration gebraucht hätten, um fertige Kunstwerke zu werden! Wieviel hatte er gearbeitet nur aus Schaffensdrang! Was fand sich allein an prachtvollen farbensatten und lebensvollen Figurenstudien vor! Es war so recht ein Bild seines ganzen reichen künstlerischen Lebens, dieses Atelier mit dem großen aufgestapelten Nachlass! Das Korn war reif, aber der Hagel schlug es nieder, bevor noch die Erntezeit gekommen war.